Ins facettenreiche Treiben von Augarten und Karmeliterviertel abtauchen.
Mit den Bocciakugeln vom Jesolo-Urlaub 1979 bewaffnet, strandeln die Urbs in Richtung Augarten. Nach ein paar Spielrunden in der Lindenallee schlagen wir unser Lager auf der Wiese beim Flakturm auf und lauschen der Musik von Straßenmusikanten. Das Einzigartige an diesem riesigen Park ist sein Facettenreichtum. Nicht nur die konträren Bauwerke, sondern auch Spielstätten, Lagerwiesen und Stände sowie die Bunkerei und das Atelier Augarten mit ihren Kulturangeboten, erfreuen das bunt gemischte Publikum. Im weiteren Verlauf des Tracks tauchen wir ins Karmeliterviertel ab, um dort auf verblasste Spuren sowie aktuelle Lebenszeichen der jüdischen Bevölkerung in Wien zu treffen. Auf geht's! TRACKVERLAUF Die Tour beginnt am Gaußplatz von dort auch schon die Kirche »Pfarre Muttergottes im Augarten« zu sehen ist. Durch das Tor in der Wasnergasse in den Park treten und geradeaus, vorbei am Gefechtsturm die Obere-Lindenallee entlang. In der Höhe des Lokals »Bunkerei« links in den Schotterweg (Quer-Kastanienallee) einbiegen und der Nase nach bis zum zweiten, rechteckigen Flakturm, dem Leitturm spazieren. Nun anhand unseres Plans, oder auf eigene Faust durch die bewaldeten Parkteile ins östliche Eck des Augartens marschieren. Hier befindet sich der Skulpturenpark des ehemaligen Atelier Augarten. Nach dessen Besichtigung die Saal-Allee (breiter Schotterweg in Richtung Süden) entlang, vorbei am Schloss Augarten mit seiner Porzellanmanufaktur zum Hauptausgang des Parks. Jetzt geht's ins Karmeliterviertel. Nach dem Verlassen des Parks nach links in die Obere Augartenstaße einbiegen und bis zur Großen Sperlgasse wandern. In dieser befindet sich das Wiener Krimalmuseum auf Nummer 24 und gleich danach trifft man auf die Haidgasse, die nach rechts zum Karmelitermarkt führt. Nach der Marktdurchwanderung und der anschließenden Überquerung der Leopoldgasse gelangt man durch die Karmelitergasse zum Bezirksmuseum Leopoldstadt (Nr. 9) und zur Kirche St. Josef am Karmeliterplatz. Nun entweder weiter durch die Gasserln des Grätzels flanieren, oder durch die Lilienbrunngasse, vorbei an Dianabad und CityBeach (Donaukanalufer) zum Schwedenplatz wandern. HISTORISCHES Wenn man das Schloß sowie das Palais außer Acht lässt, sind die prägnantesten Bauwerke im Park wohl die zwei Flaktürme. Das Paar, das 1944 in die älteste barocke Gartenanlage geknallt wurde und den Codenamen »Peter« trägt, besteht aus Leit- sowie Gefechtsturm, der mit seinen 55m der höchste des Dritten Reiches war. Insgesamt 13 Stockwerke beherbergt er, wovon ein Großteil von Rüstungsbetrieben besetzt war. Im 11. Stock befanden sich Gasschleusen, Duschräume und Entgiftungsanlagen. Paradoxerweise konnten die Geschützstände am Dach nie benutzt werden, denn die »Feinde« flogen längst außerhalb deren Reichweite. Auch der Leitturm gibt Rätsel auf, denn seine Fenster sind merkwürdig für einen Schutzbunker. So drängt sich die Frage nach dem wahren Baugrund der Türme auf. Propaganda? DEN JUDEN SEI DANK Vormals Jagdinsel, entstanden um 1430 die ersten Siedlungen, nach dem eine Verbindungsbrücke zu den Toren Wiens errichtet wurde. Durch den Antisemitismus im 17. Jahrhundert gewann das Gebiet plötzlich an Bedeutung, denn die gesamte jüdische Bevölkerung wurde aus den Stadtmauern in das Ghetto »Judenstadt«, dem heutigen Karmeliterviertel, delogiert. Leopold I fügte ihnen abermals eine Vertreibung zu, aber aufgrund von Gesetzesänderungen kehrten sie zurück und es entstand ein reiches, jüdisches Kunst- und Kulturleben. 1938 löschte das NS-Regime alles Jüdische nochmals aus und nur wenige Überlebende konnten heimkehren. Heute wohnen etwa 30% der Wiener Juden rund ums Karmeliterviertel und ihnen ist zu verdanken, dass dem Grätzel ein bisschen von dem lieblichen, jiddischen Flair geblieben ist. »A sheynem Dank!« Ein Track aus dem Buch WIEN GEHT Autorin: Jine Knapp Comments are closed.
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