Quer durch das Herz von Wien, umgeben von Auren der Vergangenheit.
Urbs durchforsten alles. Diesmal ist es die »Innere Stadt«, sozusagen das Herz von Wien, das kräftig und schnell pocht. Reges Leben schlängelt sich durch die Hauptschlagadern und die vielsprachige Geräuschkulisse, die von regelmäßigen Hufklängen begleitet wird, rauscht sanft bis in die kleinste Seitenarterie. Ein Hauch von Mystik fließt durch Vor- und Hinterhöfe historischer Bauten, uralte Geschichten klammern an den kräftigen Wänden und der Hauch eines vergangenen Jahrhunderts durchströmt die starken Herzkranzgefäße. Solange bis dieser sich durch die Klappen am Ring in die umliegenden Organe verteilt und sich dort langsam verflüchtigt. Dieser Track dringt tief in dieses alte »Wiener Herz« ein und mit einem bisschen Feingefühl lässt sich so manche vergangene Begebenheit oder Legende erahnen. Für das Erleben dieser Tour ist es von Vorteil, sie bei Nebel oder Dämmerung, mit einem Sagenbuch im Rucksack zu unternehmen, um ganz eintauchen zu können. TRACKVERLAUF Am Michaelerplatz befindet sich nicht nur eine Grabung, die Einblicke in die römische Zeit des Platzes erlaubt, sondern auch die unscheinbare Michaelerkirche. Der Schein trügt, denn unter den Gewölben befindet sich die wohl unheimlichste Gruft Wiens. Die konstante Temperatur unter der Erde hat einige der Leichen mumifiziert und diese blicken nun die Besucher aus offenen Särgen an. Weiter geht es durch die Reitschulgasse zum Josefsplatz. Hier durch die Pforten der Augustinerkirche treten, an dem pyramidenförmigen Canovadenkmal – man beachte sein Grabtor ins Totenreich – vorbei, zur Loretokapelle, die 1784 in den Untergrund verlegt wurde. Schon der Eingang – bemalt mit Totenköpfen – lässt erahnen, dass hier an ihrer Stelle einst die Wiener Totenbruderschaft ihren Sitz hatte. Die angrenzende Herzerlgruft beherbergt 56 Herzen von Habsburgern, die in Urnen aufbewahrt werden. Wieder vor der Kirche, geht es nun in die Augustinerstaße über den Lobkowitzplatz in die Gluckgasse, an deren Ende sich die Kaisergruft befindet. Wer noch nicht genug hat von Untergründen, findet hier die prachtvollen Sarkophage mit den sterblichen Hüllen der Habsburger (ohne Herzen & Eingeweiden). Das prunkvollste Mausoleum ist, wie könnte es anders sein, die Maria Theresien Gruft. Nun den Neuen Markt passieren – in die Donnergasse einbiegen, dann die Kärntner Straße überqueren, damit man in der Himmelpfortgasse landet. Gleich links geht es in die Rauhensteingasse. Bei Nr. 10 stand ein Gebäude, das den Namen »Malefizspitzbubenhaus« trug. Leider ist nichts mehr davon erhalten, denn ein Konsumtempel steht an seiner Stelle. Welch Ironie, wenn man bedenkt, dass hier einst Wiens grausamstes Gefängnis stand. Jetzt rechts in die Ballgasse spazieren, eine der innerstädtischen Gassen, die ihren mystischen Reiz noch in den Mauern trägt. Ebenso wie die reizvollen Innenhöfe der Singerstrasse 7, 16 und der Blutgasse 3 (Pawlatschenhäuser), die über den Franziskanerplatz erreicht werden. Von der Blutgasse nun links in die Domgasse, geradeaus durch die Passage bis zum Stephansplatz und durch das Seitenportal (Bischofstor) in den Stephansdom. Hier gibt es nun eine Vielzahl an Legenden. Schon beim Bau des Nordturmes (unvollendet) war der Teufel mit dabei und die Fratzen der dämonischen Wasserspeier grinsen von der Fassade. Im Inneren angekommen, befindet sich links der Abgang zu den Katakomben – der »Totenstadt« unter dem Stephansdom – in der man unter anderem noch ein Einwurfsloch zu einer Pestgrube findet. In der nördlichen Turmhalle begegnet man dem leidenden Zahnwehherrgott, der angebetet wurde, um Zahnschmerzen zu heilen und in der Nähe der Katharinenkapelle die Dienstbotenmuttergottes, die der Sage nach eine Magd vor der Verurteilung gerettet haben soll. Besonders ist auch das Hündlein Ohnefurcht, das ganz oben auf der Kanzel liegt. Es half Kindern, die Ängste zu überwinden und das Böse fernzuhalten. Durch das Hauptportal (Riesentor) hinausgetreten befinden sich rechts an der Fassade zwei waagrechte Stangen – die Ellen – die dazu dienten, Maße von gekauften Waren zu überprüfen und links ist »05« in die Mauer geritzt – das Zeichen des österreichischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Interessant am Stephansplatz ist noch der sagenumwobene Stock im Eisen und die Virgilkapelle, die von der U-Bahn Station aus betrachtet werden kann. Weiter geht es in die Rotenturmstaße, dann Lichtensteg über den Hohen Markt (im Mittelalter der wichtigste Ort des Handelns und zusätzlich Hinrichtungsstätte mit Galgen und Pranger) unter der Ankeruhr hindurch in die Judengasse bis zur Ruprechtskirche. Diese älteste Kirche Wiens, entstanden etwa um 800, steht auf dem Boden des ehemaligen, römischen Vindobona. Ihr Inneres ist sehr schlicht, aber atmosphärisch sehr reizvoll, schließlich sind ihre Mauern die ältesten der Stadt, die noch benutzt werden. Nun zurück in die Seitenstettengasse, dann rechts in den Rabensteig. Mit diesem Eck hat es eine besondere Bewandtnis, denn es lag einst direkt an der Donau und aufgrund einer leichten Biegung des Flusses wurden hier regelmäßig Wasserleichen angespült, die den Wiener Wäscherinnen ins »Tuch« gingen. Nun links in den Fleischmarkt, dann über die Köllnerhof- und Sonnenfelsgasse in die Schönlaterngasse. Hier finden wir bei Nr. 7 das legendenbehaftete Basiliskenhaus. Am Ende der Gasse rechts in den Fleischmarkt biegen und schon sind wir beim Griechenbeisl, eine der ältesten Gaststätten Wiens, mit dem lieben Augustin im Keller ;-) Anschließend die kleine Griechengasse hinunter bis zum Schwedenplatz und nun ist es Zeit, wieder aus der Vergangenheit aufzutauchen. NEKROPOLE WIEN »Der Tod muss a Weaner sein« – denn nirgendwo schien er sich wohler zu fühlen, als in dieser Stadt. Sehr nachvollziehbar, denn ob in Heurigenliedern besungen oder in der Literatur beschrieben – er war stets ein enger Freund des Wieners. Herz-, Michaeler- und Kaisergruft sowie die Katakomben lassen erahnen, wie nahe die Hinterbliebenen ihren Toten sein wollten. So mancher Reformer biss sich die Zähne an dem Vorhaben aus, die Bestattungen unter den Kirchen im Zentrum der Stadt zu verbieten. Im 19. Jahrhundert begann sich ein wahrer Begräbniskult zu entwickeln, denn nicht nur der Adel, sondern auch die Bürger trachteten nach einer »schenen Leich« – dem letzten großen Auftritt – und sparten schon zu Lebzeiten auf ihren Abgang. Heute verdrängt auch die Wiener Gesellschaft die Auseinandersetzung mit dem Tod, aber »einmal macht's an Plumpser und aus is...« MORBIDE GESCHÄFTE Eine dunkle Gestalt nähert sich dem unter dem Gewicht eines Gehängten ächzendem Galgen. Nervös blickt der Eindringling sich um und die Bewegungen der Lippen lassen das Murmeln eines Gebetes vermuten. Bei dem frischen Toten angekommen, zieht der Verhüllte einen scharfen Gegenstand aus seinem Mantel, ergreift die Hand des Gehängten und plötzlich erfüllt ein dumpfes Knacken die nebelige Nacht... Wir befinden uns auf einer mittelalterlichen Hinrichtungsstätte. Der Eindringling begehrt den Daumen eines Diebes, denn am Markt bekommt er eine beträchtliche Summe dafür. Diebesknochen waren begehrte Glücksbringer. Im Geldbeutel aufbewahrt, bescherte er dem Besitzer Reichtum. Auch die Medizin machte vor den Toten nicht halt. So half Totenschweiß gegen Geschwüre, Knochen von Geliebten bei Potenzproblemen und das »Mumienpulver« bei Herzbeschwerden. ARME SÜNDER Das erste Kriminalgefängnis Wiens (Rauhensteingasse 10) wurde unter dem Namen »Malefizspitzbubenhaus« geführt. Es gibt keinen anderen Ort in Wien, an dem die Grausamkeit so geballt war, wie hier. Das Kellergewölbe ging nicht nur mehrstöckig in die Tiefe, sondern reichte auch bis unter die benachbarten Häuser. Den Gefangenen wurden Ringe um den Leib geschmiedet, sie lagen auf Strohmatten und Folter war an der Tagesordnung. Dabei wurden Gelenke ausgerenkt, Knochen gebrochen und die Inhaftierten warteten monatelang verletzt in den eisigen Zellen auf ihr Urteil. Überlebende sahen das Tageslicht nur kurz, entweder als Krüppel mit kurzer Lebenserwartung oder am Weg zur Richtstätte. Der traditionelle Gang der »armen Sünder« führte durch die Rauensteingasse in die Liliengasse bis zum Galgen am Hohen Markt, begleitet von zahlreichen Schaulustigen. TEUFEL, TOD UND WEIN Bündnisse mit dem Teufel waren in Wien keine Seltenheit. Er war am Bau des Stephansdoms ebenso beteiligt, wie auch bei der Entstehung des »Stock im Eisen«. Aber auch seltsame Kreaturen wie den Basilisken in der Schönlaterngasse 7, beherbergt diese Stadt. Eine gespenstische Katze geht nachts auf den Dächern um und der Tod lässt sich mit dem Fiaker durch die Gassen kutschieren. Nicht zu vergessen die Legende um die mythische Figur des Sängers Augustin, der trunken in eine Pestgrube fiel, dort seinen Rausch ausschlief und am nächsten Tag dann vollkommen gesund weitersang. Eine schöne Metapher, dass mit Gesang, morbidem Schmäh und einem Glaserl Wein sich in Wien jede schwere Zeit überstehen lässt. Durch ein Gitter am Eingang des Griechenbeisels erhält man auch Einblick in die Kellernische, in dieser der liebe Augustin noch als Skulptur munter weitersäuft. Ein Track aus dem Buch WIEN GEHT Autorin: Jine Knapp Comments are closed.
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