Zu Besuch bei den letzten Bauernhöfen und den neuen landwirtschaftlichen Projekten Wiens.
Den traditionellen Bauernhof, bei dem du täglich frische Milch, ein paar Eier und gleichzeitig selbstgemachte Hauswürstel holen kannst, gibt es fast nur noch in Werbespots. Einerseits, weil der Ab-Hof-Verkauf – vor allem bei Fleisch- und Milchprodukten – hohen Auflagen unterliegt, die enorme Investitionen nötig machen. Andererseits wegen der niedrigen Preise für Agrarprodukte, wo sich nur die Massenproduktion rentiert. Bedingungen, die Bauern und Bäuerinnen mit kleinen Feldern, nach deren Größe die EU-Förderung bemessen wird, kaum erfüllen können. Was bleibt dem Kleinbauern des 21. Jahrhunderts, der nicht einsam weiter ackern möchte, um wenigstens den Eigenbedarf zu decken, Geld aber eigentlich nur bei seinem Zweitjob verdient? Lehrtätigkeit, Spezialisierung oder Vermietung ist die Antwort. So landen meist Pferde statt Kühe in den Ställen, die Felder werden von Privatpersonen bewirtschaftet, findige Bauern und Bäuerinnen entwickeln Erzeugnisse, die sich von der fahlen Masse abheben oder geben ihr umfangreiches Wissen an uns weiter. 1. NEUE BAUERN & BÄUERINNEN Einer der landwirtschaftlichen Betriebe, die es bis ins 21. Jahrhundert geschafft haben, ist der Haschahof. Schon 1987 kehrte Rudolf Hascha der konventionellen Wirtschaftsweise den Rücken und stellte auf biologischen Landbau um. Nicht nur frisches Gemüse und Getreide wird hier kultiviert, sondern auch Kärntner Brillenschafe und Lohmann-Braun-Legehennen bevölkern das Gut. Die Produkte kannst du sowohl am Hof als auch am Karmeliter-, Floridsdorfer- und Bruckhaufenmarkt erwerben. Rosen aus ökologischem Anbau, diese Nische hat Petra Neuwirth für sich entdeckt. Ihre Blumen sind nicht nur zum Verschenken da, sondern aus den getrockneten Blütenblättern kannst du auch Tee zur Stärkung des Herzens brühen sowie Marmelade, Sirup, Schnaps oder Essig herstellen. Petra's Rosengarten liegt im 21. Bezirk, und die edlen Gewächse werden auch dort verkauft. Am Himmelreich in Simmering steht der Feigenhof, und, nomen est omen, hier werden 25 verschiedene Feigen-Sorten kultiviert. Doch auch saisonale Gemüseraritäten und etwa 200 erlesene Kräutersorten bekommst du auf dem Anwesen. Natürlich waren das noch nicht alle Öko-Landwirtschaftsbetriebe Wiens, mehr davon findet ihr am Artikelende. 2. SCHULE BAUERNHOF Als Vorbild für die City Farm Schönbrunn diente der »Children's Garden« in New York. Doch auch für Erwachsene gibt es tolle Programme. »Urban Gardening - essbarer Balkon«, die »Pflanzen- & Samentauschbörse«, »ab ins Glas« oder die »essbare Wildnis« sind nur einige davon. In diesem städtischen »Erlebnisgarten der Gemüsevielfalt« erfährst du wirklich einiges. Das Landgut Cobenzl hat sich vor allem auf Eltern mit Kinder spezialisiert. Brot backen, Butter schlagen und Kräuter sammeln lernst du dort. Doch die Ställe und Gehege der süßen Bauernhoftiere können von URBs aller Altersgruppen besucht werden (Eintritt kostenpflichtig). 3. SELBSTANBAU & ERNTE Gemeinschaftsgärten sprießen zur Zeit wie die Schwammerln aus den urbanen Böden, denn die Sehnsucht nach einem Stückchen Erde steckt in vielen von uns. Sogar die Stadt Wien vergibt bereits Beete. Aber auch Landwirte vermieten Parzellen, die oft schon professionell vorbereitet übergeben werden und mancherorts bereits bepflanzt sind. Du bist anschließend für Bewässerung, Pflege und das Essen der Ernte zuständig. Einige Adressen findest du ebenfalls am Ende des Artikels. 4. SOLIDARISCHE LANDWIRTSCHAFT Zu viele Skandale, zu wenig Garantien: Das Vertrauen in die Lebensmittelindustrie sinkt wie der Meeresspiegel zur Eiszeit. Kein Wunder also, dass sich immer mehr Vereine bilden, die Felder pachten, um sie gemeinsam zu bestellen. Wer nicht selbst in der Erde wühlen möchte, dem sei »community-supported agriculture« ans Herz gelegt. Entstanden im Japan der 1960er-Jahre, beziehen heute etwa ein Viertel der Haushalte ihre Lebensmittel aus dieser Landwirtschaftsform, die so funktioniert: Die Mitglieder geben dabei dem Bauern oder der Bäuerin eine Abnahmegarantie für ihre Produkte und erhalten im Gegenzug Einfluss auf den Anbau. Diese Partnerschaft unterstützt lokale Produktion und Ernährung. Der »Gärtnerhof Ochsenherz« arbeitet schon nach diesem Prinzip. Ganz neu sind die »Foodcoops«. Hierbei schließt sich eine Gruppe zusammen, um Lebensmittel direkt bei lokalen Höfen einzukaufen. Diese werden dann in Eigenorganisation an die Mitglieder verteilt. BAUERNHOF-PRODUKTE AM MARKT Mit Ausnahme der Wintermonate stehen am Meidlinger Markt (an der Reschgasse) stets mehrere Bauern und Bäuerinnen mit ihren frischen Produkten. Wer gerne freitags oder samstags mit Innenstadtatmosphäre marktstandln geht, der besuche den Biomarkt auf der Freyung. Bäuerliche Familien, kleine Manufakturen und Produzenten bieten die köstlichsten Köstlichkeiten. Leider zählt dieser Markt nicht zu den günstigsten. Auch Floridsdorf punktet: Neben den Bio-Samstagsmärkten in der Gerasdorfer Straße 61, in der Kugelfanggasse 29–31 am Bruckhaufen und in der Autofreien Siedlung im Hof der Nordmanngasse 27, zeichnet sich der Floridsdorfer Markt jetzt auch dienstags (Bio-Dienstag) in kulinarischer Lebensqualität für den gesundheitsbewussten URB aus. BESONDERE SAMEN Wer etwas Gutes will, sollte auch gute Samen säen. Der Verein ARCHE NOAH setzt sich für Erhalt und Entwicklung der Kulturpflanzenvielfalt ein. 6.000 verschiedenen Sorten lagern in deren Archiv. Natürlich kannst du einige davon auch käuflich erwerben, beziehungsweise dazu beitragen, dass die Artenvielfalt erhalten bleibt. Die ARCHE NOAH hat auch einen Schaugarten in den du sowohl zahlreiche »alten Sorten«, als auch auch Exotisches aus aller Welt wie Knollenziest, Erdmandel oder Melothria kennen lernen kannst. INFOS ZUM THEMA Ab-Hof-Verkauf von Wiener Produkten: Gärtnerhof-Gin, Haschahof, Schottengüter, Rosengarten, Annahof, Feigenhof, Bauernhof Steindl, Bauernhof Prohaska, Pilzbau Liebenberger, Selbstanbau, Selbsternte & Selbstversorgung; Haschahof, Biohof Radl, Öko-Ernteland, Selbsternte®, Ochsenherz, LoBauerInnen, Foodcoops Höfe mit Lehrtätigkeit: Seminare: Cityfarm Schönbrunn, Arche Noah, Stadtimker, Feigenhof (Kochkurse) Für Kinder: Kidsfarm Vienna, Landgut Cobenzl Besichtigungen: Gärtnerhof-Gin, Annahof, Feigenhof, Arche Noah Ein Point aus dem Buch WIEN GEHT 2 Autorin: Jine Knapp Comments are closed.
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