"Wenn es dieses Zitat nicht schon längst vom weisen Lehrmeister Konfuzius (ca. 500 v. Chr.) gäbe, dann hätte wahrscheinlich spätestens ICH es in letzter Zeit (neu) erfunden." Denn immer öfter, wenn ich eine Redewendung, einen guten Spruch oder einfach nur ein paar aufbauende Worte für mein zerstörtes Ego brauche, kommt mir diese wahrhaftig grenzgeniale Zeile in den Kopf.
Nachdem ich meist kurz nach dem zweiten Kaffee schon den ersten Motivationsschub für den Tag brauche, hatte ich mir selbst schon eine Reihe von Mottos zurechtgelegt, die mich davon abhalten sollten, gleich morgens in die Schublade mit den bösen bösen Ausreden zu greifen. Viele davon erreichten aber die gewünschte Wirkung nicht. Mein einziger Vorteil bisher war es immer, dass ich gelernt habe, erst unter Stress so richtig gut zu funktionieren, um mein Verhalten, alles in letzter Sekunde zu tun, wieder ausreichend zu kompensieren. Dass ich auf dem „Weg“ dorthin in den meisten Fällen nicht nur viel Zeit verlor, sondern auch ein gewisser Wohlfühlfaktor immer auf der Strecke blieb, habe ich so gut es ging ignoriert. Dennoch war es immer da, im Hinterkopf - das Wissen, dass doch die schönen Dinge immer entlang des Weges zu finden sind und man diese am Ende (einer anstrengenden Reise) gar nicht mehr wahrnimmt, wenn man sie bis dahin nicht gefunden hat. „Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel.“ (Marie von Ebner-Eschenbach) Dieses Zitat und auch der Ausspruch von Konfuzius ist einfach auf alles, ja ALLES, umlegbar. Egal was man gerade tun, machen oder lassen will: Es passt immer, um einem wieder Feuer unter dem Arsch zu machen. Und Strebsamkeit ist schließlich die erste Bedingung des Edlen. * Den Weg und das Erreichen (s)eines Zieles im aktuellen Tun und im Streben dorthin zu würdigen und zu genießen, ist eins der höchsten Güter, um mit sich selbst zufriedener zu werden. Und im Gegensatz zu meinen sportlichen Herausforderungen, wo meist wirklich nur das Ziel das Ziel ist, lege ich mittlerweile sehr viel Wert darauf, die Wege die ich gehe (durchaus auch als Metapher zu sehen), so intensiv wie möglich zu erleben. Ein Ziel gibt die Richtung an und wahrscheinlich auch ein Motiv für Handlungen, mehr aber auch nicht. Die Verwirklichung des Zieles an sich ist dann im Prinzip nur noch die ausständige Belohnung. Es gibt einfach Kraft, wenn man schon von der Früh weg mit einem Lächeln im Gesicht in den Tag startet und den Fokus seines Strebens so wie einst Konfuzius auf Harmonie, Mitte, Gleichmut und Gleichgewicht legt. Denn Entschlossenheit überwindet jede Furcht.* Ich dachte lange, dass dieser Enthusiasmus über die Phrase vielleicht ja auch nur eine Phase ist. Aber mittlerweile weiß ich, dass sie mir hilft, ausgeglichener zu sein und das, was ich tue, mehr wert zu schätzen und mich schon vor und während des Tuns darüber zu erfreuen. Vorfreude und akute Euphorie sind doch die schönsten Freuden. Und wenn wir schon bei Konfuzius sind: Die meisten von uns würden gut daran tun, einfach mal mehr nach der Philosophie des So-ist-es zu leben, anstatt dauernd darüber zu klagen, was sie eventuell in ihrem Leben verpassen, anstatt einfach einen ersten Schritt in die gewünschte Richtung zu tun. Denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. * diverse Lehren aus Konfuzius Werken Text: T. Hauser Ich bin ein typischer Krebs. Ich brauche das Wasser wie die Luft zum Atmen. Nein, nicht nur metaphorisch gesehen und nicht nur - wie wahrscheinlich jetzt ein erster Gedanke aufkommen mag - zum Trinken. Sondern eher in großen Mengen rund um mich herum. Wenn es nicht gerade Sommer ist und ich mich rücklings wie ein toter Fisch in irgendeinem See treiben lassen kann, dann findet man mich am ehesten stundenlang unter der (heißen) Dusche oder in der Badewanne. Es gibt nichts Schöneres, als das weiche Wasser zu spüren, wenn es leichte Wellen um einen schlägt oder einfach sanft die Haut umschmeichelt.
Auch beim Spazierengehen begebe ich mich gerne an Orte, wo viel Wasser ist. Nicht nur, weil dieses schön anzusehen ist, sondern auch weil das Fließen eines Flusses, das Plätschern eines Brunnens oder gar das Rauschen des Meeres eine beruhigende, fast schon therapeutische Wirkung auf mich hat. In der Stadt ist es zudem oft äußerst inspirierend, an künstlich angelegten Seen oder Teichen die idyllische Stille zu genießen, etwa im Stadtpark den Goldfischen zuzusehen und die Wasservögel zu beobachten. Auch weiter stadtauswärts gibt es sehr erholsame Plätzchen am Wasser, etwa wenn man den Kanal des Wienflusses am teils wildromantisch Ufer stromaufwärts entlang marschiert. (Ja, da kommt wieder die ur-sensible Ader der Krebse zum Vorschein!) Letztens begab ich mich an die Auen der Donau, um Flora und Fauna zu erforschen, sowie den Naturkreislauf zu spüren. Und als ich dort auf die - in der Sonne glitzernde - Oberfläche des Flusses blickte, kam mir ein momentan heiß diskutiertes Thema in den Sinn. Das Wasser! Eigentlich eine tolle Sache: durch den sich immer wiederholenden Kreislauf des Wassers in der Natur geht nämlich kein Wasser verloren. Es kommt allerdings aber auch kein neues hinzu. Das heißt: je mehr wir verbrauchen, desto knapper werden die Ressourcen. Auch ist Wasser nicht überall in gleichem Maße verfügbar. Um einem eventuell auftretenden Wassermangel in manchen Gebieten vorzubeugen, überlegt man in der Europäischen Union nun, die Wasserversorgung durch Privatisierungen länderübergreifend nutzbar zu machen. Wasser erregt also nicht nur mich (allerdings in anderer Form), sondern momentan - als fast schon neurotisch besetztes Thema - auch die Gemüter im Lande. Ohne Zustimmung der nationalen Behörden ist eine Privatisierung des Wassers jedoch gar nicht möglich – allein durch den Vertrag von Lissabon, in dem das Zusammenspiel der einzelnen Institutionen der EU geregelt wird und der am 1. Dezember 2009 in Kraft trat. Trotz einiger neuer Regelungen bleibt hier immer noch die Souveränität Österreichs bestehen, selbst zu entscheiden, wie über Wasser verfügt wird. Denn wenn ein Land nicht bereit ist, die öffentliche Wasserversorgung in irgendeiner Form zu privatisieren, dann kann auch auf EU-Ebene kein gegensätzlicher Beschluss gefasst werden. Das was dennoch zum Tragen käme ist: Beabsichtigte eine Gemeinde oder eine Stadt, die Trinkwasserversorgung an Dritte zu übertragen, so wäre dies zukünftig kaum ohne aufwändige, europaweite Ausschreibung möglich. Doch was in Ländern mit akutem Wassermangel mit der Möglichkeit privater Investments im Bereich Wassermanagement sehr wohl zu einer Verbesserung beitragen würde, nutzt hierzulande meiner Meinung nach wahrscheinlich niemandem (außer einigen Konzernen, mitfinanzierenden Banken oder Politikern, die sich mit Panikmache Wählerstimmen sichern wollen). Man darf Wasser auf keinen Fall zum Spekulationsobjekt machen, wozu sich Erdöl etwa entwickelt hat. Die Trinkwasserversorgung muss in öffentlicher Hand bleiben. Peter Brabeck, der Nestlè Konzernchef allerdings, ist hier anderer Meinung: Zugang zu Wasser sollte kein öffentliches Recht sein, meint er und spricht im gleichen Atemzug von sozialer Verantwortung. Dies entbehrt nicht nur jeglicher Realität, sondern ist in hohem Maße menschenverachtend und schämenswert. Wir sollten uns dagegen wehren! >> Brabeck im Interview Meine Zuneigung zu und die Freude an Wien wächst stetig. So wie ich an der Aufgabe wachse, mich momentan sehr intensiv mit dieser Stadt, durch die ich, fast täglich, seit über 33 Jahren gehe, wenn auch bisher nicht sehr bewusst, zu beschäftigen. Dass der Südturm des Stephansdoms 343 Stufen zählt und 127m hoch ist, lernt man schon in der Volkschule. (Siehe dazu „It's lonely at the top“) Aber mal ehrlich – wer außer den hartgesottenen regelmäßigen Trivial Pursuit Spielern weiß das aus dem FF? Und wie viel wissen WienerInnen sonst so von Wien?
Für mich war Wien immer eine Selbstverständlichkeit. Ich bin hier geboren, hier aufgewachsen, hier in die Schule gegangen und habe Jahr für Jahr hier gelebt, ohne viel darüber nachzudenken. Eine Zeit lang fühlte es sich an, als würde ich in Wien jeden Winkel und jede Ecke kennen, ein Grund, warum ich auch irgendwann den starken Drang verspürte, endlich mal aus Wien raus zu müssen. Und nach einem recht intensiven Lebensabschnitt, in einem der „südlicheren Gefilde“ Österreichs, bin ich dann - ziemlich sehnsüchtig - wieder nach Wien zurückgekommen und lebe nun freiwillig und erstmals auch sehr gerne hier - mit dem Wissen, definitiv ein Großstadtkind zu sein. „Komm mit mir! Irgendwohin. Lass uns Großstadtkinder sein! Irgendwohin, endlich frei!“[1] Wien kann durchaus ein hartes Pflaster sein. Vor allem für jene, die es nicht gewohnt sind, dauernd (fremde) Menschen, dauernd Action, dauernd Hektik, pulsierendes Leben und den krassen Alltag in so einem heftigen Ausmaß um sich herum zu haben. Wien ist brutal, Wien hat Kriminalität, Drogenprobleme und Punks auf den Straßen. Aber Wien ist meine Stadt. Und ich schreibe hier zum ersten Mal die 3 (also eigentlich 4) magischen Worte: Wien, ich liebe dich! Aber zurück zum Thema „Was wissen wir eigentlich von dieser Stadt, auf deren Boden wir Tag für Tag unsere Wege zurücklegen?“ Apropos Boden: Weißt du, warum manche Pflastersteine, die man (aus optischen Gründen leider – aus bewegungstechnischen Gründen Gott sei Dank) nur noch selten in Wien findet - wie z.B. im Bezirk meiner Kindheit in Hietzing in Ober St. Veit am Wolfrathplatz [2] - manchmal eine Querrille in der Mitte des Steins aufweisen? Als noch viele Hauptverkehrsverbindungen gepflastert waren, hatten steile Bereiche Steine mit einer Ritzung in der Mitte (man nannte sie "Geritzte" oder auch "Wiener Pferdepflaster“). Der einfache Grund für diese meist quaderförmigen Steine, die quer zur Fahrrichtung verlegt wurden, war ausschließlich, Pferden auf diesen Wegen einen besseren Halt zu geben. Na, gewusst? Wir wissen eindeutig viel zu wenig von Wien, selbst wenn wir seit Lebzeiten hier wohnen. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass der Bildungsauftrag in Geographie und Geschichte in einer Zeit passiert, wo wir meist mit viel wichtigeren Dingen im Leben beschäftigt sind, als uns mit so viel „unnötigen“ Informationen das Hirn vollzumachen. Das können wir doch später nachholen, wenn es vorbei ist mit der spannenden Kindheit, der Pubertät, der Teen- und Twenzeit, der Midlife-Crisis, den Wechseljahren, dem Ruhestand, dem Neuanfang, der Pension, dem Alter und den goldenen Jahren, … Ja wann eigentlich? [1] Peilomat – Großstadtkinder, Lyrics [2] Im Rahmen der Sanierung dieser Verkehrsfläche 2012 wurden Pflastersteine neu verlegt Text: T. Hauser Ein einfacher Warnhinweis, der seit mittlerweile fast 50 Jahren nicht nur am Ursprungsort London Kult ist, sondern fast weltweit. Von Londonbesuchern wurde er sowohl verbal auf den Kontinent transportiert, als auch über diverseste Souvenir- und Kitschartikel an Urbs verbreitet, die ihn vielleicht noch nie live gehört hatten. Ich selbst erfreue mich jedes Mal und immer wieder, wenn ich in London bin, über solch einfache Dinge, wie diese Phrase, die in wunderschönstem britischen Akzent aus den Lautsprechern tönt.
Nun saß ich letztens in der Wiener U-Bahn, als über mir in ziemlich brachialem Hochdeutsch und sterilem Klang ein „Bitte seien sie achtsam, zwischen Bahnsteig und U-Bahn Türe ist ein Spalt!“ erklang. Wenn ich nicht gerade - in Gedanken vertieft – schon besonders „achtsam“ gewesen wäre ob jeder meiner Bewegungen und Schritte, hätte es mich wahrscheinlich spätestens jetzt von meinem roten Plastikstuhl gewuchtet. Ich weiß eigentlich gar nicht, was mich mehr irritiert hatte: Die Existenz dieses Spaltes und dass irgendwer diesen scheinbar auch in Wien entdeckt hatte? Die unglaublich bescheuerte Formulierung dieser Warnung? Die neue sehr ungewohnte deutsch deutsche Frauenstimme? Oder einfach nur das Faktum, dass bestimmte Dinge, die anderswo einfach so unglaublich urbig sind, in meiner Heimatstadt Wien einfach nur lächerlich kläglich anmuten. Was war passiert mit meiner anglophilen Euphorie über diese geflügelten Worte? Wahrscheinlich liegt es an Wien. Nichts desto trotz stiefelte ich in der Kettenbrückengasse die Station hinauf, um auf meinem Weg in die Stadt durch den berühmt berüchtigten Wiener Naschmarkt zu flanieren. Ich passierte unzählige „Ramschstandln“, wo neben Trikots, Schals, Taschen, Mützen und Sonnenbrillen so ca. alles angeboten wurde, was ich DORT mit Sicherheit nicht kaufen würde. Ich erinnerte mich wehmütig an meinen letzten Besuch in Camden Town, wo wir, mit einem kindesgleichen Enthusiasmus, in den vielzähligen ultrahippen Stables Stunden damit verbracht haben, Fetzen, Schmuck und Touristenware zu durchstöbern und zu sondieren, die die meist sehr lässigen (und durchaus auch manchmal lästigen) Verkäufer dort - Im wahrsten Sinn des Wortes – „zum Handeln“ anbieten.. Was waren wir froh über jedes Pfund, das man uns nachgelassen hatte und wie zufrieden und entspannt sanken wir danach wieder in die weichen Stühle der Northern Line. In Wien? Bekomme ich Missmut, wenn ich die Standler nur sehe. Nicht dass die Ware in London de facto besser, billiger, hübscher oder toller wäre. Aber London ist eben London. Und Wien ist eben Wien. Am Karlsplatz stieg ich in den 2er auf dem Weg zum Rathausplatz, der bis dorthin auf dem Ring wirklich wunderschöne Bauten, wie beispielsweise die Oper, das Kunst- und Naturhistorische Museum und das Parlament passiert. Ich vertiefte mich wieder in meine Gedanken und würdigte diese Prachtwerke keines Blickes. Immerhin bin ich Zeit meines Lebens regelmäßig und oft genug dort vorbei gefahren, als dass mich diese rein „touristische Besonderheiten“ noch begeistern könnten. Schade eigentlich, denn sie sind mindestens genauso beachtenswert, wie gleichwertige Gebäude vor (und in) denen ich in London, Paris und Rom in schwärmerisches Entzücken verfalle. Nicht so in Wien. Was ich damit sagen will? Nicht, dass ich so weltaffin bin, dass ich die Schönheit dieser Stadt nicht mehr würdige. Aber ich sehe sie einfach nicht mehr. Wenn man über 20 Jahre in einer Stadt gelebt hat, dann verliert man – auch als URB – einfach mal den Blick auf gewisse Dinge und den Abstand, den es benötigt, um wieder das Pure, das Wesentliche darin zu sehen! Denn Wien ist alles andere als uncool, aber hatte einfach Pech, meine Heimatstadt zu sein! Aber es ist ja nicht so, dass man, sobald man sich dieser Tatsache erst einmal bewusst ist, nichts dagegen tun kann. Ganz im Gegenteil. Eigentlich ist es ganz einfach, indem man einfach mal einen Schritt zurück tritt, von der ewigen Hetze durch die Stadt und dem Drang ständig nur vom Start ans Ziel zu kommen. Darum nehme ich mir nun ab und an die Zeit, auszubrechen aus diesem Trott, mit dem ich Wien verbinde. Ich schlendere dann mit offenen Augen durch die Stadt, um bewusst den Blick auf Dinge ganz nah um mich herum zu lenken. Mit langsamen Schritten durch mein Grätzel, meinen Bezirk, meine Stadt, fallen mir dann sehr schnell jede Menge Details auf, für die ich Wien einfach lieben muss. (Auch wenn es in meinem Fall nicht nur die architektonischen Stilelemente der Schlösser, Museen oder Kirchen sind, sondern viel eher auch mal ein Erker, ein Türmchen, ein Innenhof, ein Graffiti oder ein Haus, wo (fast) kein Fenster dem anderen gleicht.) So stand clear please. Be urbig & change your point of view! Fotos: http://www.isp-zt.at, http://www.siemens.at, Text: T.Hauser Im Winter liebe ich wohlig warme Daunenjacken, weiche Mäntel, lange Schals. Allerdings nicht, wenn man mich in sowieso meist überheizten Zügen im Stoßverkehr zwischen deren Trägern einquetscht. Im Sommer mag ich nackte Haut, muskulöse Männer in knappen Shirts und leichtbekleidete Frauen. Nicht so in den Straßenbahnen oder U-Bahnen in und unter Wien (Beziehungsweise wahrscheinlich auch in keiner anderen Stadt dieser Welt). Vor allem an den heißen Tagen des Jahres ist es oft ziemlich unangenehm, sich zwischen die dicht gedrängten Menschenmassen zwängen zu müssen.
Wenn ich gezwungen bin, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, bin ich ja eher skeptisch eingestellt. Nicht gegenüber der ab und zu auftretenden Unpünktlichkeit der Wiener Linien, sondern hauptsächlich gegenüber den Leuten darin. Nicht nur aufgrund der teilweise fraghaften und oft mangelnden Körperhygiene so mancher Menschen, sondern auch wegen meinem leichten Hang zur Misanthropie, bin ich ja immer schon eher der gleichen Einstellung, wie der „Wilde Mann“ aus Handkes Untertagblues gewesen: „Weltekel, Scheinleben, Verlogenheit rund um mich. Ihr gehört nach Hause, ihr. Warum bleibt ihr nicht endlich einmal vollzählig und ganz in euren Löchern und Unterschlüpfen?“ U-Bahn fahren ist für mich wie ein Survival-Track. Ein Kampf mit mir selbst, ums blanke Überleben in der Stadt. „Kennst du das Gefühl zwischen all den Menschen einsam zu sein? Je mehr Menschen, desto einsamer wirst du.“* Gefangen unter der Stadt. Selbst wenn ich gut drauf bin, ist der Untergrund nie wirklich ein Ort, wo ich mich sonderlich wohl fühle. Wahrscheinlich wäre es anders, wenn ich zu Fuß oder alleine durch die Gänge unter der Stadt wandern könnte. Aber nicht so in den Zügen, die täglich unter Wien tausende von Leuten befördern. (Das Wiener U-Bahn-Netz umfasst 101 Stationen und 75 Kilometer Fahrtstrecken. 2010 fuhren über 530 Millionen Menschen mit der Wiener U-Bahn.) Das Grauen vor dem „Nicht-Ort“ U-Bahn hat bis zuletzt immer überwiegt. Bis zu dem Tag, als ich Timo Novotnys neusten Film „Trains of Thoughts“ (Gedankengänge) gesehen habe. Ich war eigentlich nur online über den Trailer gestolpert und hatte sofort Feuer gefangen. Die Erwartungen an den Film waren - bis ich im Kino saß - nicht mehr, als das, was mich der Trailer grob vermuten ließ. Tolle Bilder gepaart mit genialer Musik der „Sofa Surfers“ - Doch ich sollte viel mehr aus dem filmischen Meisterwerk mitnehmen, als gedacht, nachdem die großartigen Impressionen des Films auf mich wirkten. Geniale Aufnahmen aus 6 verschiedenen Metropolen (New York, Los Angeles, Tokio, Hongkong und Moskau), faszinierende Schnitte zu einem atemberaubenden Soundtrack und Einblicke in zahlreiche Facetten dieser Städte. Dazwischen Menschen, Augenblicke, Meinungen, Gedanken und Anekdoten, die meinen BIickwinkel auf das „Sein“ unter Grund grundsätzlich verändert haben. Momente, die einen bewegen. Geschichten aus dem Leben und eine Sichtweise, die ich bis dato noch nicht hatte, vielleicht weil ich mir einfach auch noch nie Gedanken darüber gemacht habe. „Das U-Bahn-System stellt eine parallele Welt dar, die im urbanen Raum täglich genutzt, aber nur selten wahrgenommen wird und beinhaltet Millionen von Tragödien und Komödien, Absurditäten und Beeindruckendes.“* Jede der Linien hat ihre eigene Geschichte, ihr eigenes Schicksal. „Der Weg ist nur auf optische Schaltpläne und Stationsnamen reduziert.“* „Die U-Bahn reflektiert die Gesellschaft und das Leben in einer Stadt. Sie erklärt, warum Menschen in Tokio, New York und Moskau so sind wie sie sind. Die U-Bahn ist ein Ort der Entspannung, der Anonymität und der Freiheit. Ein Ort bei dem man zusammen, aber auch alleine ist.“* Was ich in anderen Städten immer als eine der ersten Handlungen tue (nämlich gehen, mit den „Öffis“ fahren und durch einen Supermarkt bummeln) um die Leute, die Mentalität, die Sitten und die Stadt kennenzulernen, war in Wien bisher immer bloß eine notwendige Handlung, um von einem Ort zum anderen zu kommen. „It´s nice to have a few minutes where you can be by yourself. You know, everybody is always connected. And then you come here and you’re off for the entire time you are down here. For me it’s a relief, because I don’t have to feel pressure about answering emails or messages because I just can’t“* Vielleicht sollte man dafür sorgen, dass die U-Bahn genau aus diesem Grund auch ohne Mobilnetz bleibt, denn manchmal ist speziell in der U-Bahn der Weg in gewisser Weise auch das Ziel. Fotos: www.austrianfilm.at/trains-of-thoughts-presse Filmzitate aus „Trains of Thoughts, Timo Novotny, 2012“ Text: T. Hauser |
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