Bevor wir URBs wie Spiderman die Dächer der Stadt bezwingen, werden wir zuvor ein bisschen am Aufstieg arbeiten ;-). Tja, wohl etwas hoch gegriffen, aber wir haben auch jede Menge Spass beim Gehen in der Vertikalen, ohne dass uns die Spinne beisst. Und wer wüsste bei dieser Disziplin besser Bescheid, als die Superheldinnen Andrea Maruna und Johanna Ernst.
Wir treffen sie gemeinsam im Kletterzentrum des Alpenverein Edelweiss. Hier in der Walfischgasse 12 im 1. Bezirk wird gebouldert was das Zeug hält. Denn diese Anlage ist mit über 1.000m2 Kletterfläche und 12.000 Griffen, Österreichs grösste Boulderhalle. Dem Urb stehen sieben unterschiedliche Kippwände, eine asymetrische Torbogenwand, echte Piazkanten, eine 4m Sinterfahne, 100 m2 Dachkletterfläche, eine Strukturtechnikplatte mit Wasserrillen sowie versetzbare Strukturelemente, wie Stalaktiten und Sintersäulen zu Verfügung. Ausgelegt ist die Halle mit Hochsprungmatten. Zusätzlich gibt es einen Raum für's Therapieklettern, einen weiteren zum Aufwärmen sowie eine Fitnesskammer mit Gerätestationen. Andrea Maruna und Johanna Ernst führen uns durchs Edelweiss-Bouldercenter. Die beiden sind recht oft hier zum trainieren, erzählen sie uns. Vor der Schule, nach der Schule und nach der Arbeit. Denn zum Klettern gehen braucht man nur wenig Ausrüstung und es ist einfach, die Sachen immer mit dabei zu haben. Ohne große Sporttasche, ohne viel Zeugs. Beide klettern schon ungefähr 10 Jahre, fast so lange, wie es die Kletterhalle in der Walfischgasse gibt. Andreas Spezialgebiet sind eher die Felsen draußen, wobei Johannas Metier die Halle drinnen ist, doch eines haben die beiden gemeinsam: sie GEHEN regelmäßig ins Edelweiss-Bouldercenter trainieren ;-) Johanna ist mit 18 Jahren bereits Weltmeisterin. Sie hat alles gewonnen bis jetzt, sagt sie stolz. Weltcup und Europameisterschaft und sogar die Weltmeisterschaft in China. Sie ist eben, wie Andrea auch, eine echte Superheldin. Die Kraft dafür hat sie hauptsächlich beim Bouldern aufgebaut, die Ausdauer dafür beim Routenklettern. Johanna meint, dass es wichtig ist im Kopf frei zu sein, deswegen ist ihr das Mentaltraining auch besonders wichtig. VARIANTEN DES KLETTERNS FREIKLETTERN: Hier darf zur Fortbewegung nur der eigene Körper genutzt werden, jedoch mit Sicherung gegen Absturz. Die Kletterrouten sind in der Regel mit Felshaken ausgestattet, nur an einigen Routen muss selbst gesichert werden. Geklettert wird in Klettergärten, Hallen und an Felswänden. BOULDERN: Das ist Klettern ohne Seil an Felsblöcken sowie an natürlichen oder künstlichen Kletterwänden in Absprunghöhe. Zur Dämpfung von Stürzen werden Matten (Crashpads) verwendet. TECHNISCHES KLETTERN: Hier werden Seile und Hilfsmittel (Trittleitern, Steigklemmen) zur Fortbewegung benutzt. Angewandt wird es vor allem beim Alpinklettern, wenn es aufgrund der Begebenheiten kein anderes Vorwärtskommen mehr gibt. FREE SOLO: Es wird auf alle Sicherungsmittel verzichtet, somit kann ein einziger Fehler fatal sein! Strukturelemente, wie Stalaktiten und Sintersäulen zur Verfügung. Ausgelegt ist die Halle mit Hochsprungmatten. Zusätzlich gibt es einen Raum für's Therapieklettern, einen weiteren zum Aufwärmen sowie eine Fitnesskammer mit Gerätestationen. HIER GEHTs: Edelweiss-Center 1010 Wien, Walfischgasse 12 Montag - Freitag: 09:00 bis 22:00 Sa, So und Feiertage: 11:00 bis 21:00 [email protected] www.edelweiss-center.at LINKS Website von Andrea Maruna, www.andreamaruna.com Website von Johanna Ernst, www.johanna-ernst.at Harald Havas ist der Meister im Wien Wissen. Er schreibt Wien Bücher, Sammelsurien, Comics,... Wahnsinn! Was der alles weiß, was der alles schreibt!! Er selbst nennt es kurioses, unnützes Wissen. Aber was heißt hier unnütz? Wohl eher wild! Denn eigentlich gerade deswegen gehört Harald Havas in die WildUrb Welt. Mir scheint, er ist ein wirklicher „wild, WildUrb“.
In seinen beiden Büchern „Kurioses Wien“ und dem gerade erschienenen „Furioses Wien“ beschreibt Harald Havas Dinge, die entweder keiner kennt oder keiner wirklich hinterfragt. In unserem Video verrät er uns, wo sein Lieblingsplatz ist und warum dieser Lieblingsplatz jetzt gar nicht mehr sein Lieblingsplatz ist. Sie haben ihn ihm weggenommen. Wer? Findige Garten- oder Praterlandschaftsplaner, wer weiß das schon so genau... Entlang der Prater Hauptallee, neben uns die Bowlinghalle und hinter uns die Endstelle von der 1er Bim, gehen wir den Konstantinhügel hinauf. Die Erhebung ist nicht natürlich entstanden, so wie alle höheren Erhebungen im Prater nicht natürlich entstanden sind, weil der Prater ja früher Aulandschaft und Flussarme von der Donau waren. Bei einem Spaziergang hat Harald das Plateau am Konstantinhügel für sich entdeckt. Es handelt sich hier um einen sogenannten „Bisschen-Aussichtspunkt“. Deshalb, weil man von allen Richtungen ein bisschen eine Aussicht hat. Ein bisschen über die Stadt, ein bisschen in den Prater und auch ein bisschen in den 2. Bezirk. Man ist mitten in der Stadt, mitten im auch sonst so turbulenten Getriebe und doch ein bisschen abgehoben. So ein bisschen eben ;-) Jedenfalls war dort, wo der Konstantinhügel jetzt ein „Wimmerl“ hat, ein Kraftplatz. Das „Wimmerl“ soll als Rodelhügel dienen und ganz oben stehen ein paar Bänke und Tische, die zum Verweilen einladen sollen. Aber Harald kann es nicht verstehen. Ihn lädt da nix mehr zum Verweilen ein. Er hat alles versucht, doch der Platz ist nicht mehr, was er einmal war. Alles das, was seinen Platz so energetisch, so besonders machte, findet er nicht wieder. Das „Wimmerl“ blockiert ganz offensichtlich die Kraft und der Platz strahlt jetzt nicht mehr wie früher, so eine herrliche zentrale Ruhe aus. Schade! Also hilft nur eins: es muss ein neuer Lieblingsplatz her! Wir finden ihn in der Nähe der U3 Schlachthausgasse. Unweit von hier befindet sich nämlich ein Naturschutzgebiet mitten in der City. Eine sogenannte StadtWILDnis. Das freut die URBs gleich sehr, denn in wilden Stadtgegenden wie dieser, sind wir ganz und gar zu Hause. Auf dem Weg dorthin allerdings, ist die Stadt laut, die Häuser wirken seelenlos und kalt und es riecht irgendwie nach Industrie. Parallel zur Schlachthausgasse stadtauswärts zweigt die Maiselgasse von der äußeren Baumgasse ab. Hier finden wir den Zugang zur Wiener Stadtwildnis in Erdberg. Wenn man in die Tiefe der Wildnis eindringt, betritt man ein einzigartiges Stück Wiener Boden von spröder Üppigkeit. Verdichtet wird die Stimmung durch die "hochplateauartige" Lage des Areals von mehr als zehn Metern über dem Terrain, in das bis zur Regulierung die Donau eingebettet lag. Sie war es, die – im Bogen anströmend – durch Anprall einen eindrucksvollen Steilhang geschaffen hat. Den Horizont bilden Industrie-, Gewerbe- und Wohnbauten sowie die hochliegende Stadtautobahn. Die Lärmkulisse ist nicht unbeträchtlich, sie ist aber von Vogelgezwitscher durchsetzt. Was ist das Einzigartige an dieser sogenannten "Stadtwildnis" in Erdberg? Im Laufe von Jahrzehnten ist hier – geschützt von Zaun und Beschränkungen eines künstlichen Standortes – auf einer mächtigen Erdaufschüttung über weitläufigen Kellern ein Pflanzenbestand herangewachsen, der eine außergewöhnliche Atmosphäre verbreitet. NOCH WAS: Und bevor wirs vergessen: nicht nur Venedig und Reutlingen hat enge Gassen. Nein, auch Wien kann das. Wo? Das verrät uns Harald im Video hier auf der wildurb.at und in seinem Buch „Furioses Wien“ auf Seite 56/57. Aber bevor ihr durch solche gar engen Gassen geht, versprecht uns bitte eins: Nicht zu viele Wiener Schnitzerl essen, okay?! ;-)) BUCHTIPPS Furioses Wien: Ungewöhnliches, Unbekanntes, Unglaubliches von Harald Havas, Metro Verlag Wien, ISBN 978-3993000349 Kurioses Wien von Harald Havas, Metro Verlag Wien, ISBN 978-3993000004 Website von Harald Havas, www.havas.at WildUrb begegnet Robert Zikmund, dem sympatischen FM4 Moderator mit der roten Jacke und der eigenen Band namens »Neigungsgruppe Sex, Gewalt und Gute Laune«. Bei FM4 moderiert er FM4 Connected, Homebase, Charts; ansonsten gestaltet er oft Beiträge aus Politik und Wirtschaft; früher war er auch jahrelang Producer und Chef vom Dienst.
Die Band »Neigungsgruppe Sex, Gewalt und Gute Laune« ist zur Zeit in Deutschland wesentlich erfolgreicher als in Österreich. Das ist öfters mal so, meinen die URB`s. Denn was zählt schon der Künstler im eigenen Land? Da sind wir Ösis manchmal unurbig, aber das ist eine andere Geschichte. Zikmunds Band hat beispielsweise erst grad vor Kurzem in München vor ausverkauften 350 Leuten gespielt, während sie in Wien nicht mal beim Popfest auftreten dürfen, die Wiener-Dialekt-Welle haben hierzulande andere übernommen ;-) Was aber egal ist, wie Robert meint, weil Musik in Österreich eh nur immer Spass machen kann und soll, davon leben ist für fast alle ausgeschlossen – daher ist auch das Konkurrenzdenken absurd. Aber jetzt genug von der Musik, zurück zum Gehen... Im Gehen kann man den Geist sätteln. Das Gehirn neigt ja dazu herumzuflitzen, sagt Robert, und das Gehen zentriert. Auch atmet man ruhiger, wenn man geht ...das hört sich jetzt total esoterisch an... (GEHT so ;-)) Gehen ist jedenfalls wie Musik, es geht um den Rhythmus, meinen the wild, wild URBs. Robert nimmt uns mit in seine Welt des Stuwerviertels. Er zeigt uns sein Lieblingsplatzerl, dem angeblich heißesten Pflaster von Wien. Ganz entgegen mancher Stimmen, die da meinen, gerade hier wäre es wegen der Straßenprostitution kein Wohlfühlort, überzeugt uns Robert vom Gegenteil. Eine ganz liebevolle Wohngegend ist das hier, meint Robert. Das Stuwerviertel befindet sich ja in der Nähe der Prater Hauptallee und der Ausstellungsstraße und somit fast ums Eck zum urbigsten und unglaublich grünen Erholungsgebiet Wiens, dem Prater. Früher war das Stuwerviertel ein klassisches Arbeiterviertel, was sich zunehmend ändert. Viele Studenten ziehen hierher und bald, so Robert, wird man sich die Wohnungen auch hier nicht mehr leisten können. Wir gehen ein Stück weiter und urben vorbei an so manchen kleinen Vorgärten. Die Häuserfassaden sind wunderschön wienerisch und herrschaftlich und Robert Zikmund hat sicher Recht, wenn er meint, die Lebensqualität ist hier außerordentlich gut, denn es gibt viel Freiraum, Licht, Luft, Grün – wie Martin Blumenau sagen würde: Stadtnatur eben. Robert lebt seit immer schon im 2. Bezirk. Kurzfristiges Intermezzo in Floridsdorf, dann aber wieder zurück in die »Heimat«. Seit 1999 arbeitet er bei FM4, derzeit beendet er gerade nach 10-jähriger Pause sein WU-Studium. Und so wundert es auch nicht, wenn ihn jetzt, hier und heute gerade die Frage beschäftigt, wie korrupt der ganze Politzirkus wirklich ist, also ob Strasser Ausnahme oder Regel ist. Robert befürchtet ja eher Regel. Die Wirtschaft muss sich wieder auf den Menschen statt auf Renditen besinnen, der Shareholder Value Casino Kapitalismus führt zu: Leid und Elend von Milliarden zugunsten von 1% Superreicher, Zerrüttung aller sozialer Strukturen und schließlich zur Zerstörung des Planeten. Das bewegt Stèphane Hessel, Robert Zikmund und die URBs, die bewegt und berührt das übrigens auch. Robert liest uns im Videobeitrag eine Stelle aus Hessels Buch »Empört Euch« vor. Der 93jährige Berliner Stèphane Hessel war Mitglied der Rèsistance, hat das KZ-Buchenwald überlebt und ist einer der Mitautoren der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen. Mit emphatischen Worten ruft der ehemalige französische Diplomat zum friedlichen Widerstand gegen die Unzulänglichkeiten unserer Gesellschaft auf. Dagegen zu kämpfen wird die schwierige Aufgabe der Menschheit für die nächsten Jahre und steht in Sachen Bedeutung auf einer Stufe mit der französischen Revolution. Ansonsten würd Robert Zikmund persönlich gern besser loslassen können und weniger Sorgen-getrieben sein, verrät er uns. Wünschen tut er sich, dass alle fühlenden Wesen in Frieden und wohlauf sind. Danke Robert! BUCHTIPPS Empört Euch! von Stéphane Hessel und Michael Kogon, ISBN 978-3550088834 Der Weltgesellschaftsvertrag: Eine soziale Relativitätstheorie von Paul Gschwend, ISBN: 978-3831130818 Das Imperium der Schande von Jean Ziegler, ISBN: 978-3-570-55019-9 Uns gehört die Welt Macht und Machenschaften der Multis, von Klaus Werner-Lobo, ISBN: 978-3-423-62452-7 LINKS Neigungsgruppe Sex, Gewalt und Gute Laune, www.myspace.com/neigungsgruppe/music Musikdownloads auch unter www.amazon.de/Neigungsgruppe-Sex-Gewalt-gute-Laune/dp/B002KNQ72K Ernst Gehmacher ist überzeugt: gehen macht glücklich! Der 1928 in Salzburg geborene Sozialwissenschaftler erzählt von Sozialkapital und von Liebe und davon, wie er mit seiner Frau fremde Gegenden in der eigenen Stadt auskundschaftet. Dabei begegnet er Menschen und lernt sie kennen. Sozialkapital entsteht, wenn Menschen einander begegnen und gemeinsamen Interessen nachgehen.
DIE SOZIALE SEITE DES GEHENS Zu Fuß Gehen macht gesund. Es ist die Urform menschlicher Fortbewegung – ja, die Entwicklung des Menschen schulden wir dem aufrechten Gang, der sich durch einen Klimawandel und der damit verbundene Austrocknung von Urwald zur Savanne in Afrika ergeben hat und der die Hände freimachte fürs Sammeln und den Werkzeuggebrauch. Auf allen vieren, auf urtümliche Weise, bewegen wir uns nur mehr beim Schwimmen und Klettern – vielleicht ist das sogar noch gesünder. Aber zweifellos können wir das Gehen und Laufen besser. Die nachhaltige präventivmedizinische Wirkung des Gehens bedarf kaum eines Plädoyers, an die glaubt der moderne Mensch schon weitgehend. Doch an der Praxis fehlt es weit. Da klafft zwischen Glauben und Praxis die berüchtigte Wort-Tat-Lücke, im Fachjargon „belief-behaviour-gap“. Aber immer mehr Gesundheitsbewusste in unsrer Fahrzeug-Kultur wagen den Sprung über diese Kluft und werden wieder natürliche Fußgänger. Dabei helfen zwei Einsichten in gut belegte wissenschaftliche Wahrheiten, die aber in unsrer Konsumgesellschaft schwer zu verkaufen sind: Gehen macht glücklich, ist also ein Genussmittel – Gehen fördert Gemeinschaft, bringt Sozialkapital. VIEL ZUWENIG ERKANNT, IST ABER DER SOZIALE GEWINN DURCH DAS GEHEN. Selbst wer allein geht, hat viele Chancen, unterwegs Bekannte zu treffen, mit anderen Fußgängern in Kontakt zu kommen, Menschen zu beobachten. Und mit jemanden ein Stück zu Fuß zurückzulegen oder eine Wanderung zu machen, bietet Gelegenheit, einander näher zu kommen. Das ist alles noch weit weg von den intensiven Gemeinschaftserlebnissen bei einer längeren Bergtour oder einer Weitwanderung. Doch in der Summe verbinden alltägliche gemeinsame Wege – etwa mit Kolleginnen nach der Arbeit oder mit Kindern zur Schule – noch mehr. Die Sozialkapital-Theorie schreibt die seelischen Bindungen an einen Bekanntenkreis den biologischen Instinkten des Herdentriebs zu. Das leuchtet ein. Denn wenn eine Gruppe eine mehrtägige Tour unternimmt, bilden sich bald nach Begabung und Lust Rollen heraus – die Wegfinder und Kartenleser, die Wirtshauskundigen und die mit der Rucksack-Apotheke, die Geschichtenerzähler und die Sänger. Die Gemeinschaft schließt gerade auch die Schwächeren ein, die Fußmaroden und die Erschöpften – und gibt den in Rang und Stellung Geringeren oft die Chance, sich als Helfende und Führende zu bewähren. Schließlich wussten die Religionen seit jeher um die große Macht des gemeinsamen Gehens, wenn es mit einer ideellen Glaubensgemeinschaft und spiritueller Symbolik verbunden ist. Wallfahrten gehören zu den stärksten Erlebnissen der großen Gefühle von transzendenter Eingeschlossenheit in ein höheres Ganzes. Ob das Rom, Jerusalem oder Mekka ist, das zu Fuß erwandert wurde, ob der Jakobsweg oder der Berg Kailas – neben den vielen geringeren Wallfahrtsorten - , immer stellen sie Höhepunkte religiösen Erlebens dar, wenn sie zu Fuß erwandert werden. Und immer schließen sie das Gemeinschaftserlebnis mit ein. Dafür hat die neue Sozialkapitaltheorie wiederum eine Erklärung aus der Urgeschichte des Lebens; sie leitet diese Makro-Ebene sozialen Erlebens von den Urinstinkten des Schwarmtriebs ab, wie er sich in den gewaltigen Bewegungs-Gemeinschaften der Fisch- und Vogelschwärme äußert. Die Gemeinsamkeit der Bewegung wird von einer überindividuellen Energie übereinstimmender Ausrichtung geleitet, die sowohl in der Geschlossenheit wie der Intensität der Verbundenheit etwas Überwältigendes an sich hat. Autor: Ernst Gehmacher Anna Maria Krassnigg zeigt uns den salon5. Ein Theaterclub im Herzen des 15. Bezirks. Solche Clubs gibt es nicht in jeder Stadt – in Wien gibt es einen, in New York gibt es sie auch.
Als ich mit meinem Sohn in New York war, hab ich keinen dieser Theaterclubs besucht. Wir standen am Times Square. Ich fragte ihn, ob er sich eine Show am Broadway anschauen möchte. Die Menschenschlange am Ticketschalter war lang. Ich wollte ihm die Welt zeigen. Zumindest einen kleinen Ausschnitt dieser verrückten Welt, dort in dieser verrückten Stadt. Er aber meinte: »Nicht nötig, hier ist eh alles Show«. Wie Recht er damit hatte. Hier im 15. Bezirk im »salon5« hat man ebenso einen Einblick in eine andere Welt. Anna Maria Krassnigg spricht im UrbTV - Beitrag von dieser Welt, die sich von so manch anderer Wiener Welt abhebt. Weil der 15. Bezirk – ich habe es schon einmal erwähnt – ein ganzes Universum an Besonderheiten bietet. Der salon5 befindet sich in der Fünfhausgasse 5 in einem wunderschönen Gebäude. Der Besitzer ist Dr. Thomas Haffner, ein Kulturfreund und großzügiger Mensch mit Lebensart, den das völlig heruntergekommene Gebäude so sehr fasziniert hat, dass er es vor 10 Jahren wieder aufgebaut und liebevoll renoviert hat. Er wollte eine Brutstätte der unkomplizierten, aber atmosphärischen Art für Kreative aller Richtungen ermöglichen. Das Kunstarchiv »basis wien« zählt z.B. zu den Nachbarn des salon5. Den Namen »brick5« hat das Gebäudeensemble aufgrund der Ziegelbauweise der alten Erbsenschälmühle erhalten. Dieser bedeutende Teil des 15. Bezirks war früher die Hauptmeile des vorstädtischen jüdischen Lebens in Wien. Dazu gehört auch die Herklotzgasse, die Reindorfgasse, die Sechshauserstraße bis zur Arnsteingasse. Oben in der Reindorfgasse befindet sich das Wirtshaus Quell. Ein Wiener Wirtshaus, mit besonderem Flair und gutem Essen. Krassnigg weiß, dass Poldi Quell, der frühere Besitzer, es immer zu verstehen wusste, interessantes Publikum anzuziehen. Es kamen vor allem Theaterleute und Studenten dorthin. Selbst Kurt Ostbahn hat ein Buch geschrieben, welches von diesem Ort hier handelt (Blutrausch). Die Wiener Stadtzeitung Falter schrieb vom »besten Gulasch Wiens«. Die Frau vom »Quell« war dafür verantwortlich. Heute wie damals, auch wenn Poldis Frau nicht mehr dort kocht und Poldi selbst, bereits in wohlverdienter Rente, nicht mehr grummelnd nachfragt, ob man alles habe, lohnt es sich zum »Quell« zu gehen und vielleicht ergattert man ja sogar den beliebten Platz neben dem Kachelofen. Und dann erzählt Anna Maria Krassnigg vom armen jüdischen Viertel und von den Menschen, die es trotz ihrer Armut sehr wohl verstanden, zu leben, zu denken und ihre Feste hier zu feiern. In der ehemaligen Erbsenschälmühle, dem heutigen »salon5 im brick5«, wird wieder gefeiert. Das Publikum wird in eine Welt entführt, eine Welt der Musik, der Geschichten, sogar des Films, immer sehr nahe am Publikum. Eine Welt, die so in dieser Form von anderen Theatern nicht angefasst wird. Hier kann man ein kleines Stück New Yorker – gemischt mit wien-jüdischem Flair genießen. Daniel Kehlmann, Autor des Buches »Die Vermessung der Welt« meinte bei einem Besuch im salon5, er hätte nicht gedacht, dass es mitten im 15. einen so »newyorkerischen« Ort gäbe. Interessant sind im Hinterhof des Gebäudes die Buchstaben über der Türe: Turn-Halle, denn hier wurde sogar in den wildesten Kriegs- und Vorkriegszeiten noch geturnt, man hat sich getroffen, Menschen fanden Rat und Trost. Es wurden Briefe gefunden, in denen Menschen von auswärts, den Menschen hier Fragen stellten wie: Wie geht es euch? Turnt ihr noch? Die Autorin des Buches »Nachricht vom Verlust der Welt« Inge Rowhany, fand hier bei Recherchearbeiten zu ihrem Buch durch Zufall das letzte Viertel der Auswanderungskartei der jüdischen Kultusgemeinde. Anna Maria Krassnigg ist für Regie und künstlerische Leitung des salon5 verantwortlich, und arbeitet ausserdem noch seit 1999 als Rollenlehrerin und Gastprofessorin für Regie am Max-Reinhardt-Seminar. Sie verrät uns im UrbTV-Beitrag, dass sie es als Luxus empfindet, zu Fuß zu gehen. Sie genießt es von Tag zu Tag mehr, sich die Zeit dafür zu nehmen, in diesem anachronistischen Tempo, dass das Gehen ja heute darstellt, die Stadt als Universum zu erleben. Man kann sich in abgelegene Gegenden begeben, die man sonst niemals sehen oder wahrnehmen würde. Die Stadt wird groß und man muss sich nicht mehr darüber beschweren, dass Wien keine Weltstadt ist. Denn beim Gehen kann man sie sich ergehen, die Weltstadt. Veranstaltungsprogramm salon 5: www.salon5.at Verein zur Förderung multimedialer Kunst und Technik: www.brick-5.at |
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