Um es deutlich zu sagen. Es ist völlig unmöglich, es ist eine Zumutung, in der Stadt zu wandern! Sobald ich genau weiß wo ich hin muss, bin ich heillos verloren.
Lassen Sie sich das sagen. Ich bin auf dem Lande groß geworden und habe mein Leben zu etwa einem halben Teil in recht un-urbanen Gefilden verbracht. Ich muss das also wissen. Ich kann 30 Kilometer am Stück gehen, ohne zu jammern, erreiche schwitzend ein Gipfelkreuz nach dem anderen und denke am Tag danach nicht einmal an so etwas wie „Muskelkater“. Ich war also immer stets guten Mutes, wenn ich mich auf das Abenteuer, eine Stadt zu erkunden, einließ. Ein Klacks! Diese wenigen hundert Meter, welche ungeübte Fußgänger aus der Stadt so auf sich nehmen. Ich darf doch bitten. Städter! Die Arroganz eines Vielgehers am Lande sollte sich rächen. Und ich sollte viel lernen. Denn ich scheiterte an der Stadt. Kleiner Exkurs: eine Freundin aus London erklärte mir einst, wie ich den Weg nach Brixton im Londoner Süden fände, um dort ein Interview durchzuführen (Ziel war „The Fridge“, ein damals recht angesehener Club). Ich stieg an der angegebenen U-Bahn Station aus und merkte bald, dass ich mich weit von der gewünschten Lokalisation befand. Mit innerem Groll auf meinen„Guide“ durchstreifte ich also Brixton, fragte einige nette Menschen nach dem Weg, und kam nach einem beträchtlichen Fußmarsch direkt vor „The Fridge“ an, um dort mein Vorhaben durchzuführen. Es war ein grandioser Tag. Bei der Heimfahrt wurde mir klar, was Caron aus London da gemacht hatte: ich sollte Brixton kennenlernen, weswegen sie mich eine Station vor dem Ziel aussteigen ließ. Das ist wohl gelungen. An diese Episode werde ich mich lange erinnern. Aus der U-Bahn, dem Taxi aussteigen und „da“ sein ist dagegen grenzenlos langweilig. Das machen Sie und ich ja täglich. Zu oft. In anderen Städten ging es mir ähnlich. Sobald ich in den falschen Bus, die falsche Trambahn/Bim einstieg, dem Taxifahrer ein falsches Ziel angegeben hatte, durfte ich ein kleines Abenteuer erleben. Ich habe Ecken dieser Städte gesehen, die ich sonst nie zu Gesicht bekommen hätte, habe Lokale entdeckt, die ich später stolz als „Geheimtipp“ empfahl. Mein Erfahrungskapital ist das Ungeschick der Orientierung in der Stadt. Ach ja, stimmt... in der Stadt kann man nicht wandern, sagte ich weiter oben. Das ist richtig. Nämlich dann, wenn man die falschen Schuhe anhat. Das ist das ganze Geheimnis. Die schönen „Stadtschuhe“ taugen nichts. Die beste Kondition, die dicksten Wandererwadln helfen wenig, wenn der Fuß aufgrund mangelhafter Federung, Halt, Grips und so fort leidet. Leiden macht ja schön, aber es muss nicht gerade eine Blase an den Zehen sein. Gutes Schuhwerk hat auch meinen Zugang (ja genau.. zu-gang) zu Wien erleichtert. Keine Stadt habe ich so gründlich per pedes durchstreift wie diese. Und niemals wusste ich genau, wo ich hinwollte, und wo genau ich mich gerade befand. Wir hatten ja damals keine Smartphones, wir hatten Augen, Ohren und gesunde Beine. Sowie die Zeit, einfach mal zu sagen: „Ich gehe jetzt mal DA lang (irgend ein gutes Lokal werden wir schon finden)“ Eine Bitte hätte ich noch. Sollte Sie ein Auswärtiger jemals nach dem Weg fragen: tun sie diesem Menschen einen Gefallen und lotsen Sie ihn ganz wo anders hin. Irgendwann wird er es ihnen danken, heillos verloren, aber mit viel schöner Erfahrung dann doch noch sein Ziel gefunden zu haben. Text und Fotos T. Hauser |
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