In Wien ist es durchaus lohnend, ab und zu einmal ein öffentliches WC aufzusuchen, auch wenn man nicht gerade muss. Denn was viele nicht wissen: In Wien haben sogar WCs Geschichte. Einige der öffentlichen Bedürfnisanstalten der Inneren Stadt sind sogar als historische Denkmäler geschützt. „Während anderer Städte Straßen mit Asphalt gepflastert sind, sind die Straßen Wiens mit Kultur gepflastert.“[1]
Ich begab mich letztens in eine solche öffentliche Toilette (wenn auch nur aus Recherche-Gründen), wo mir wahrlich der Mund offen blieb, aber nicht etwa weil es so gestunken hätte, dass ich nicht mehr durch die Nase atmen konnte, sondern weil ich aus dem Staunen nicht mehr heraus kam. Auch WCs können Geschichte haben, Geschichten erzählen und durchaus attraktiven (und auch touristischen) Wert besitzen. Schon bei den Römern wurden der Göttin Venus Cloacina, die die Menschen vor dem Abwasser schützen sollte, (Der für heutige Ohren etwas ungewöhnlich klingende Name leitet sich von cluere, Altlatein für Reinigen, ab) gesellige Bedürfnisanstalten gewidmet. Mit einem ausgeklügelten Wasserdrucksystem sorgten die Römer für die ständige Spülung ihrer Latrinen. Aber zurück nach Wien: ich war am Graben entlang spaziert und ging zum wahrscheinlich schon hundertsten Male an dieser Stelle mit den eleganten grünen Geländern und Laternen mit den „Herren“ und „Damen“-Schildern vorbei (Nähe Tuchlauben / Kohlmarkt). Doch diesmal in dem Wissen, dass diese im Jugendstil errichtete Toilettenanlage die ältesten unterirdischen Klosetts der Welt sind. Und ich musste zwar nicht, aber ich musste einfach – und zwar einfach nur aus purer Neugierde – hinabsteigen. Das Ambiente ist für ein WC sehr opulent und luxuriös mit viel Messing und Marmor. Ornamente schmücken den Boden, große Spiegel, Strukturglas und dunkles Holz zeigen den Charme vergangener Zeiten. An der Wand hängt noch die Kopie einer Patenturkunde von 1883 für das so genannte, von Wilhelm Beetz damals selbst erfundene Ölurinoir. Die Neuartigkeit und Genialität daran war, dass es wasserlos zu betreiben und dennoch geruchlos war. Sogar das dafür verwendete Öl war eine selbst gemischte Mineralölkomposition, „Urinol“ genannt, mit einem Schutz gegen das Einfrieren im Winter. Beetz errichtete damals in ganz Wien auf eigene Kosten die meist recht- oder achteckigen, überdachten, aus vorgefertigten Eisenwänden aufgestellten Örtlichkeiten im Pavillonstil auf einer Steinbasis (wie z.B. am Antonsplatz, 1100 Wien und in manchen Parks und größeren Straßenzügen), wie man sie heute noch sieht. Meist gab es zusätzlich zu den nach Geschlechtern getrennten WC-Räumen auch noch einen geheizten Raum für die Toilettenfrau. Ein besonders schön erhaltenes und restauriertes WC mit bunten Glasornament und einer Tür, die stolz Örtlichkeiten I. und II. Klasse ankündigt findet man am Parkring. Im Schönbrunner Schlosspark gibt es Variationen, die mit ihren grün bemalten Eisenverstrebungen an das nahe gelegene Palmenhaus erinnern. Auch in der Irisgasse, die übrigens mit 17 Meter Länge die kürzeste Straße Wiens ist und gerade mal die Länge dieser öffentlichen Toilettenanlage hat, und am Hohen Markt (derzeit leider gesperrt) befinden sich Nachbildungen der Anlage vom Graben. Nicht unbeachtet sollte man auch die moderne Operntoilette in der Opernpassage lassen, wo man gegen einen geringen Geldbetrag bei klassischer Musik, natürlich von Mozart, sein Geschäft in gehobener, kultivierter Atmosphäre verrichten und dabei zum Amüsement auch noch nostalgische Opernplakate an den Wänden betrachten kann. Ja, Wien ist anders. Im Durchschnitt befindet sich der Mensch drei Jahre seines Lebens auf dem WC. Denkt also drüber nach, wo ihr diese Zeit verbringt. [1] Karl Kraus Autorin: T. Hauser |
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