Während die Mehrheit der ÖsterreicherInnen am 1. November pflichtgetreu ihren Friedhofsrundgang absolvieren, habe ich gemeinsam mit etwa 200 Lauf- und GEHwütigen versucht Wien zu umrunden bzw. es gab bei diesem Bewerb die Möglichkeit 120km um ganz Wien in 24h oder 60km in 12 zu absolvieren. Ich entschied mich für die 60km in 12h, im Hinterkopf habend, auch dies wahrscheinlich nicht zu schaffen, aber egal. Dabei sein ist bekanntlich alles!
Um 7 Uhr morgens, ein herrlicher Novembertag. Der Start – nette Menschen wohin das Auge reicht. Man wünscht sich Glück, keine übermotivierten Schnösel trifft man hier, sondern, auch wenn man jetzt nicht seinen super idealen Bodymaßindex hat, das Gefühl hier dazu zu gehören. Es geht los. Doris und ich beladen mit Rucksäcken voller Proviant (damit wir nicht verhungern und verdursten) und sind bester Laune. Wir gehen es gemütlich an, plaudern und versuchen unser Tempo zu halten. Nach Kilometer 30 beginnen bei Doris die Achillessehnen Probleme zu machen und da wir abgemacht haben, zusammen zu bleiben, drosseln wir das Tempo und quälen uns durch die Lobau. Gott sei Dank noch bei Tageslicht, die 120km Läufer bezeichnen die Strecke ein bisserl als "Blair Witch Projekt", was ich sehr gut nachempfinden kann. Die erste Verpflegungsstation ist in Sicht. Frankfurter Würstel, Nutellabrote, Traubenzucker und Gatorade. Rein damit. Ich will mich nicht hinsetzen, sonst komm ich nicht mehr hoch. Ok. Also 15 Minuten Pause. Flaschen auffüllen – weiter GEHt´s. Schön langsam wird es dämmrig. Wir gehen irgendwo hintaus – Essling – Süssenbrunn. Auf Feldwegen, durch Wälder. Stirntaschenlampen an. Warnwesten an, sonst werden wir von Jägern erschossen – Hilfe! Doris, bist du noch da? Ich muss aufs Klo, hab aber Angst, dass ich nicht mehr hoch komme, wenn ich mich jetzt irgendwo in den Busch setze. Lach- und Erschöpfungsflash bei Kilometer 34 – ich finde plötzlich alles lustig. Wir reden über Flüchtlinge und wie die das wohl durchhalten, ohne Equipment. Wir sind erschöpft, uns tut alles weh, uns ist kalt. Ach, eine Busstation. Wir hängen gerade an Laternenmasten den Blick sehnsüchtig zur Busstation gerichtet, da kommt gazellengleich ein 120km Läufer dahergehopst, begleitet von einem Heinz Jürgen Ressar, welcher meint „sieht gut aus Mädels“. Wir bezweifeln, dass es gut aussieht, was wir da machen, schleppen uns aber weiter in Richtung Nebel und Ungewissheit. Unser Stundenschnitt ist mittlerweile miserabel, kaum noch Sicht, Gangunsicherheit, bisschen spooky. Und bei jeder Markierung die große Freude, dass wir richtig sind. Irgendwie wollen wir noch weitergehen, aber wir können einfach nicht mehr. Bei Kilometer 44,5 – rufen wir die Hilfsflotte an, um uns abzuholen. Ein wenig wehmütig sind wir schon, dass wir aufgeben mussten, doch es ist nicht schlimm aufzugeben. Es war eine wertvolle Erfahrung. Ich bin noch nie an einem Tag, an einem Stück so lange, so weit gegangen. Nächstes Jahr kommen wir wieder, mal sehen, vielleicht schaffen wir dann die 60 Kilometer. Autorin: Bella Draxler |
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