Wien liegt ja bekanntlich an einem Fluss, dem bei richtiger Belichtung durchaus blauen Donaustrome. Aber eben nicht wirklich. Und das ist schade. Denn was ist schöner, als ein eine Stadt teilendes Gewässer, an dessen Gestade man flanieren, sitzen, trinken oder speisen kann. Fast jede Stadt von Rang hat das, nur eben Wien nicht. Das einzige was dieser beeindruckende Strom teilt, ist Cis- von Transdanubien. Auch das mag seine Reize haben, aber auf der Donauinsel dahin zu latschen, ist einfach nicht das selbe, wie am Seineufer abendliche Romantik zu erleben oder die Donau in der Budapester Innenstadt genießen zu können.
Wien stattdessen hat den Donaukanal, wie sich dieses Gewässer, das den 1. vom 2. Bezirk trennend, rinnsalend dahintümpelnd großspurig nennt. Kanäle haben es üblicherweise an sich, dass sie von Schiffen und Booten befahren werden, Leben und Getriebe auf ihnen herrscht, doch bis auf ein traurig bemaltes, mit güldnen Kugeln verunziertes "Hundertwasser Schiff" bewegt sich auf diesem schmutzig grauen Gewässer um diese Jahreszeit nichts. Stattdessen liegen rostende und ausgebrannte Kähne vor Anker - morbider Charme, wie er nur in Wien zu finden ist. Ich gehe gerne, und zwar alleine. Und gerade im Winter suche ich bisweilen Orte auf, welche sommers nur so vor Leben strotzen. Denn bei all den gescheiterten Versuchen, dem Donaukanal und seinen Ufern so etwas wie urbanes Flair einzuhauchen, sind diese Unterfangen bisher nie wirklich geglückt. Und gerade das macht winters für mich den Reiz dieses graubraunen Gewässers aus. Kaum ein Stadtteil unserer sonst so liebenswert seltsamen Stadt ist missglückter als der Kai und die Obere Donaustraße. 50er Jahre Häuserabscheulichkeiten gliedern sich nahtlos an von lieblosen Architekten hingezeichnete Bürotürme, und das dazwischen liegende, an das düstere Mausoleum eines größenwahnsinnigen Potentaten gemahnende Sofitel runden das Bild einer der tristesten und doch wunderbaren Gegenden der Wiener Innenstadt ab. Selbst die neu errichtet Anlegestelle des feinen Twin City Liners, der Wien mit Bratislava verbindet und das sehr erfreuliche „Motto am Fluss“ beherbergt, hätte man in der kommunistischen Slowakei der 50er Jahre kaum passender gestalten können. Und dazwischen liegt eben dieses von mir so geschätzte Rinnsal, der Donaukanal. Vom Schwedenplatz die wunderschönen Jugendstiltreppen hinabsteigend, eröffnet sich mir, dem fröhlichen Misanthropen, ein Bild winterlicher Tristesse, die mir den Uranerz-Klumpen, der einst aus dem Permafrostboden von Krasnokamensk gebuddelt, statt eines schlagenden Herzens in meiner Brust, harte Gamma-Strahlung gegen die Menschheit schleudert, vor Freude im Leibe springen lässt! Alles da unten ist sehenswert! Beginnend beim Badeschiff, das sommers von fröhlich sonnenhungrigen Menschen bevölkert wird und jetzt nicht mehr ist als ein winterlich trauriger Kahn, der allerdings auch das großartige Holy-Moly beherbergt, in dem sich zu verhältnismäßig günstigen Preisen Haubenküche genießen lässt. Es ist einsam hier unten zwischen den von Graffiti gezierten Mauern und dem schwerfällig dahinziehenden Gewässer. Gut so. Denn mein Weg soll ein einsamer sein. Ein weiteres Highlight donaukanaliger Tristesse ist das seit Jahren vor Anker liegende, ausgebrannte Wrack des ehemaligen Partybootes Búho Verde, das sich zu entfernen Gott Lob bisher noch niemand entschließen konnte. So reihen sich rostend, trauriger Kahn an Kahn bis man die in ihrer Einsamkeit grotesk wirkende Summerstage erreicht. Wo im Sommer das Leben pulst, ist hier derzeit bestenfalls auf vereinzelte Jogger zu treffen. Ein morbider Hochgenuss! Aber wer diese Einsamkeit genießen will, muss sich beeilen! Der Frühling nähert sich mit Riesenschritten und dann ist’s vorbei mit Tristesse und Monotonie, dann wird hier wieder geradelt und geschwätzt. Die Lokale wachsen aus dem Boden, Sand wird ausgebracht um Strandstimmung zu verbreiten. Kurz das Leben kehrt zurück und das ist schließlich auch nicht schlecht. Text: F. Stampach |
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