"Ich muß den Kopf freibekommen." Dieser Gedanke war der Ursprung und die Triebfeder meiner Wanderung. Ich weiß nicht wie vielen es so geht, aber nach einer gewissen Zeit in einem Büro, wird der Geist müde und lethargisch. Diese mentale Abgespanntheit wirkt sich unweigerlich auch auf das körperliche Wohlbefinden aus und so wusste und hörte ich genau den Imperativ: "Gehe!" Seit meiner Kindheit wollte ich schon immer einmal von Salzburg nach Wien zu Fuß und genau das habe ich gerade gemacht.
Die Gleichförmigkeit der Bewegung während des Wanderns, die vielen Details, die du durch diese Entschleunigung in dich aufnehmen kannst, aber vor allem die unmittelbare Verbundenheit zur Natur und den Elementen waren also die Kur, die ich mir verordnete! Oh, und wie ich mich darauf freute! Es ist gar nicht so viel Vorbereitung notwendig. Du brauchst Zeit, einen guten Rucksack, Wanderadjustierung - und den unerschütterlichen Willen, nein die Überzeugung und das Wissen, um die unglaubliche Seelenhygiene so eines Weges. Wenn du also keinen Weg mehr gehen kannst, dann gehe einen Weitwanderweg. Das war meine Motivation. Eine gewisse Grobplanung des Weges ist unerlässlich. Genauso wie die Wahl des Nachtlagers. Ich hatte mich entschlossen, jeden Tag in einem Landgasthof zu übernachten, aber nicht zu reservieren, um flexibel zu bleiben. Gefällt es dir wo gut, bleibe eine Zeit. Mißfällt dir ein Weg, wähle einen anderen. Dies birgt natürlich das Risiko, dass du einmal abends, müde und fertig, in eine Ortschaft kommst, die kein Zimmer für dich bereithält. Deine Entscheidung. Die tägliche Strecke der Wanderung richtet sich nach deiner persönlichen Leistungsfähigkeit. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass 25 km pro Tag (30km maximal) leicht reichen. Mache nicht den Fehler und betreibe so eine Wanderung als Leistungssport - so viel entgeht dir dabei! Die in etwa 300km von Salzburg nach Wien, bewältigte ich in 12 Tagen. Aber dieser Aspekt ist völlig unerheblich! Es ist nämlich nicht wichtig anzukommen! Es ist schön, ja, aber wirklich völlig unerheblich! Aber um das zu verstehen, musst du selber gehen. Ich suchte mir eine möglichst flache Strecke von West nach Ost und los ging's! Am ersten Tag kam ich in Straßwalchen an. Ca. 33 Kilometer und der Rucksack elendig schwer. Habe am nächsten Tag in der Früh, meinen Rucksack um ca. 5 kg erleichtert und das mit der Post nach Hause geschickt. Weniger ist mehr. Höre auf deinen Körper und nimm auch kleine Problemchen und kleine beginnende Wehwehchen deiner Füße ernst. Tust du das nicht und zeigst falsche Härte, so wirst du deine Wanderung, die ja fast 2 Wochen dauern soll, abbrechen müssen. Täglich mehrmalige Fußpflege und vor allem ein gewissenhaftes "Blasenmanagement" an den Füßen erleichtern dir das Wandern und helfen dir vor allem durchzukommen. Außerdem muss dir klar sein, dass du bei einem 2Wochen dauernden "Gang" ziemlich sicher jedes Wetter bekommst. Darauf musst du dich einrichten. Ein mehrtägiger Marsch im Starkregen ist ohne adäquate Ausrüstung ein Martyrium und selbst mit Funktionsunterwäsche und Goretex-Oberbekleidung nicht einfach. Ich bin 2 Tage lang bei richtigem Sauwetter gegangen, triefnass durch und durch und habe dann abends unter einer Unterführung am Smartphone versucht, herauszufinden wo ich nächtigen werde. Herrlich! (Aber ohne richtige Bekleidung fast nicht möglich.) Die Wahl der Strecke obliegt dir. Klar ist: Ein schöner Weg kostet Kilometer. Nimm sie in Kauf! Es ist allemal schöner an einem Wiesenbach oder einem Waldesrand entlang zu wandern, als auf der Hauptstraße zu marschieren. Manchmal, eigentlich sehr oft, geht es aber nicht anders. Ich war mir dann immer der Gefahr bewußt, bin auf der linken Seite gegangen und war dabei sehr aufmerksam. Denn ein Wanderer passt heute einfach nicht mehr ins Bild des Straßenverkehrs, so scheint es. Kommt deine Wanderung ins "Fließen" so bist du genau am Weg! Ich meine damit, dass du dich auf alles wirklich und richtig freust! Alles wird ehrlich. Hast du Hunger, dann hast du wirklich Hunger. Wenn du gegessen hast, dann bist du wirklich satt. Bist du müde, bist du richtig müde (nicht nur abgespannt oder gar gelangweilt). Durch das Gehen werden deine Empfindungen und Gefühle gestärkt. Deine Sinne werden geschärft. Dein Verstand wird klar. Dein Geist wird frei. Und jeden Tag in der Früh kannst du es kaum erwarten los zu gehen und auf deinem Weg neues zu entdecken! Sei freundlich zu allen Menschen die du triffst und du wirst viel Freundlichkeit selbst erfahren. Diesen Zustand meine ich mit "Fließen" und in diesen "Flow" kam ich ungefähr am 4. Tag: viele Worte für einen Weg mit so wenigen Worten. Aber die braucht es auch nicht beim Gehen. Momentan, während ich dies schreibe, sitze ich in der Westbahn und fahre die Strecke für die ich 12 Tage gebraucht habe, in 3 Stunden wieder heim; und ich lächle. Diese Wanderung hat meinen Kopf mit frischem Herbstwind durchgeblasen und meine Seele zum Leuchten gebracht. Und dies einfach nur durch GEHEN. Text und Bilder: Tomi Tulpe |
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