Schon eine Zeit lang gehe ich mit der Idee schwanger, einmal einen richtigen Briefträger vor die Kamera zu holen. Es klappt. Über drei Ecken – der Bekannte von einer Bekannten einer Freundin ist Manfred Filo, seit 20 Jahren Postzusteller und ein recht ambitionierter noch dazu. Manfred ist ein Mensch, dem man sofort ansieht, dass er seinen Beruf liebt. Ein Beruf, der die URBs natürlich ganz besonders interessiert, weil kaum jemand beruflich mehr zu Fuß geht, als der Postzusteller. In seine Kategorie fällt höchstens noch der Prospekteverteiler oder der besonders beliebte Parksheriff.
Frech, wie ich als URBin nun mal so bin, frage ich Manfred Filo ganz einfach, ob ich ihn auf seiner Tour einmal begleiten darf und wo er denn immer so unterwegs ist... Ich treffe mich mit Manfred im 22. Bezirk in der Erzherzog Karl Straße, inmitten eines riesigen alten, aber wunderschönen Gemeindebaus. Man stelle sich vor, dass in ganz Wien ca. 500.000 Bewohner, ein Viertel also der Einwohner Wiens, in über 2.300 Gemeindebauten wohnen und bei ca. 220.000 Gemeindebauwohnungen, die durch die Gesellschaft Wiener Wohnen und somit der größten Hausverwaltung Europas verwaltet wird. Manfred erzählt, dass der Beruf des Postzustellers vor allem durch die Begegnungen der Menschen gezeichnet ist. 99% der Leute sind freundlich, sagt er, die meisten kennt er vom Sehen und von Begrüßungen im Stiegenhaus. Obwohl das früher auch anders war. Denn heutzutage ist die Fluktuation der Mieter in den Wohnungen so stark, dass man mit dem Kennenlernen der Leute und dem Namen merken oft gar nicht mehr mit kommt. Sicher kennt kein Aussenstehender das Wohl, aber auch das Leid der Menschen damals wie heute so gut, wie der Briefträger. Denn wer, wenn nicht er, sieht, ob und wie oft jemand einen „blauen Brief vom Gericht“ ein dickes Paket vom Versandhaus oder einen „Einschreiber vom Finanzamt“ bekommt. Wer, wenn nicht er, bekommt schon dann und wann einmal Einblick, zumindest in die Vorräume der Mieter, wenn er die Post direkt zur Wohnungstür bringt und wer, wenn nicht er, darf der älteren Dame auf der Nebenstiege zumindest einmal im Jahr wenn der Herbst kommt den Gaskonvektor aufdrehen, weil sie es selbst nicht schafft. Und grade dann, wenns so kalt ist, bei manchmal unter minus 10 Grad ist es dann auch mal angenehm, so Manfred Filo, wenn mehr Post zur Zustellung anfällt, damit man ein bisschen länger in den Stiegenhäusern verweilen kann. Interessant auch, wieviel so ein Briefträger täglich zu Fuß an Wegen zurücklegt. Manfred meint, er geht im Monat ca. 100km. Doch wenn man die ganzen Treppen der Stiegenhäuser rauf und runter rechnet, kommt er sicher auf einiges mehr. Vergleichsweise können wir uns vorstellen, er läuft einige Male im Monat den Eiffelturm hinauf und hinunter. Im Laufe der Zeit, hat sich das Stadtbild am Stadtrand im 22. Bezirk natürlich verändert, erzählt Manfred Filo. Er schätzt, dass in den letzten 10-15 Jahren die Haushalte um ein Drittel zugenommen haben. Die Stadt wächst und entgegen der Stimmen, die da meinen im Internetzeitalter gäbe es bald keine Briefe mehr: davon hat Manfred noch nichts gemerkt ;-)) |
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