Man kann es wohl als menschliches Versagen betrachten, daß ich eine Stunde zu früh im „Café Leopold“ war. Verdammte Zeitumstellung! Naja, macht nix. So konnte ich wenigstens noch einmal im Geiste die Route durchgehen. An einem Ostersonntag haben ja die meisten Lokale geschlossen und ich wollte sicher gehen, daß wir auch genügend Seidl finden würden.
Zur Erklärung: Da ich keine Schokolade mag und mir auch aus Eiern nicht viel mache, gehe ich seit ein paar Jahren Seidl statt Eier suchen, zusammen mit ein paar Freunden. Im Wort Seidl ist ja auch ein „ei“, wenn auch nur ein kleines. Das Oster-Seidl-Suchen ist keine Seidl-Tour im klassischen Sinne. Ich starte jedes Jahr in einem anderen Lokal mit einem Brunch und ende immer in meinem Stammlokal. Des Weiteren ist es auch kein „Komasaufen“, sondern ein Spaziergang mit Bierkonsum. Quasi eine mobile Party. Die Regeln sind einfach: Wir gehen eine vorher bestimmte Strecke ab und trinken überall, wo wir vorbeikommen und es Fassbier gibt, ein Seidl. Egal ob das ein Würstelstand ist oder die Bar eines Hotels. Aber nun zu meinem Bericht über die Oster-Seidl-Suche 2013. Ich hatte für 15 Personen reserviert. Sechs kleine Kaffeehaustische standen in einer langen Reihe. Pünktlich war nur ich, der Rest kam tröpferlweise eingetrudelt bzw. gar nicht. Ich hatte mit wetterbedingten Ausfällen gerechnet. Aber dass mich gleich zehn Leute hängen ließen, war schwer zu verkraften. Als ich nach einer halben Stunde zwei Tische wieder freigeben wollte, meinte der Kellner, er bräuchte sie im Moment noch nicht und es wird sicher noch jemand kommen. War ja schließlich Zeitumstellung und die Hoffnung stirbt zuletzt. Eine weitere halbe Stunde später, kamen immer mehr Gäste die sich suchend nach freien Tischen umsahen. Wer mich eine Stunde lang warten lässt, soll sehen wo er bleibt. Also gab ich vier der sechs reservierten Tische wieder her und wir machten uns an den Brunch. Mir war zwar der Appetit vergangen, aber ich musste ja für eine anständige Unterlage sorgen. Das Englische Frühstück war ganz ausgezeichnet, Blunzn am Morgen hatte ich noch nie und die Kresse auf den „Baked Beans“ war mal etwas erfrischend anderes. Auch das Frühstück meiner ersten Mitsuchenden war keine Herausforderung an die Küche. Laktoseintoleranz? Kein Problem! Käse wurde gegen Schafkäse getauscht und Butter gegen Humus. Alle waren zufrieden und mein Zorn beinahe verraucht. Als dann auch die letzten Nachzügler fertig waren, wollten wir unseren ersten Stempel holen. Wir wollten von jedem Lokal einen Stempel sammeln und am Ende der Suche die Sammlung in unserem Stammlokal aufhängen. Aus Erfahrung weiß ich, daß Wirte ihre Stempel nur ungern auf leere Seiten stempeln, aber auch das war kein Problem. Der Kellner war sogar sehr interessiert und ich glaube fast, er wollte mit uns mitkommen. Die ersten Seidl wurden bestellt, getrunken, bezahlt und das war der Startschuss für unsere Tour. Wir gingen raus, links die Stufen hinauf und hintenherum in die Breite Gasse. Das „Glacis Beisl“ war die nächste Station. Ich hatte extra eine eigene Geldbörse mitgenommen und sammelte erstmal von jedem 10 Euro ein (meinen Zehner gab ich natürlich dazu). Um Verwirrung zu vermeiden ist es ratsam, wenn einer bestellt und bezahlt, als jeder für sich. Das Bier im Glacis Beisl war keine Offenbarung. An sich ist es ja Geschmackssache, aber wir fünf waren uns einig. Besonders als wir den Nachgeschmack auf dem Weg zur nächsten Station noch immer im Mund hatten und € 3,30 für 0,3l Bier nicht wenig sind. Immerhin haben wir hier auch einen Stempel bekommen und der Kellner hat sogar ein Foto von uns gemacht. Das einzige auf dem wir alle zusammen drauf sind. Wir gingen die Siebensterngasse stadtauswärts und kamen schon bald an ein geöffnetes Lokal. Das „Kulin“ hatte Sonntagsbrunch, weswegen wir nicht rauchen durften. Dem einen Nichtraucher unter uns war es nur Recht und uns Rauchern war es egal. Für die Dauer eines Seidls nicht zu rauchen sollte auch für Kettenraucher machbar sein. Dann der Schock! Das Bier schmeckte auch irgendwie komisch! Lag es am Nachgeschmack des vorigen Bieres? An der Tageszeit? Drohte gar der Abbruch der Suche? Derweil wir uns nett unterhielten, wurde auch das Bier besser. Wie der Hunger mit dem essen, kommt auch der Durst mit dem trinken. Die Bitte um einen Stempel wurde uns hier zwar verwehrt, aber man brachte uns eine Visitenkarte. Nachdem wir ausgetrunken hatten zahlte ich und konnte erfreulicher Weise feststellen, daß das Bier mit € 2,80 deutlich günstiger war. Die nächste Station war das „Centimeter II“ am Spittelberg. Jede Menge Fassbiere zur Auswahl, die auch hier „nur“ 2,80 kosteten. Wir hatten einen kleinen Stehtisch gleich an der Bar und machten es uns gemütlich. Nachdem ich bezahlt hatte, war die Gemeinschaftskasse erschöpft und wir legten jeder wieder einen Zehner dazu. Vom Centimeter aus gingen wir die Siebensterngasse weiter und der Wind trieb uns den Schneeregen in die Gesichter. Perfektes Wetter für eine Seidl-Tour. Man ist ständig im Warmen und erliegt nicht der Versuchung im Schanigarten picken zu bleiben! So trotteten wir weiter bis uns auf der gegenüberliegenden Straßenseite das „Siebensternbräu“ einladend erschien. Zum Raucherbereich, der sehr klein war, mussten wir durchs ganze Lokal und durch den Wintergarten. Wir rechneten mit dem Schlimmsten, nämlich dort hinten vergessen zu werden, aber der Kellner war auf Zack. Als neugieriger URB probierte ich das Hauseigene „Rauchbier extrem“, welches mir torfigen Geschmack und eine Sinlge Malt-Note versprach. Genau das Richtige für einen Whisky-Liebhaber wie mich! Der erste Schluck war sehr gewöhnungsbedürftig, der zweite machte Lust auf mehr. Nach dem dritten Schluck bekam ich die Brühe nicht mehr die Kehle runter. Unvorstellbar – ich, der gestandene Biertrinker – war die erste Schwachstelle des Tages! Aber weiter im Text. Dem Wunsch nach einem Stempel wurde entsprochen und wir zogen von dannen. Ein Stückchen weiter die Gasse hinauf erwartete uns das „Schilling“. Wieder ein Nichtraucher-Lokal, dafür sehr schön in der Einrichtung mit einer sehr freundlichen Kellnerin und, laut Angaben eines Mitsuchenden, den schönsten und saubersten Toiletten, die er je gesehen hat. Das Bier war auch frisch und wir werden das Schilling in guter Erinnerung behalten. Die Kirchengasse hinunter gehend kamen wir zum „Köö“, wo die Mädls auch noch Billard spielen wollten. Sie ließen sich aber überzeugen, daß die Dauer eines Seidls zu kurz für eine ordentliche Partie ist und wir zudem noch eine ungerade Zahl an Suchenden waren. Die Seidl waren schnell getrunken, der Stempel geholt und die Kasse wurde wieder nachgefüllt. Weiter gings. Das „Morgenstern“ am St. Ulrichsplatz hatte leider zu, dafür war das „Café Nepomuk“ geöffnet. Drei von uns machten die Vorhut, zwei gingen Zigaretten holen. Als wir fünf Seidl für drei Personen bestellten, ernteten wir fragende Blicke doch konnten wir uns erklären, worauf uns der Wirt beinahe enthusiastisch den Stempel in unsere Sammlung drückte. Das Ambiente im Nepomuk ist urig-gemütlich, der Chef sehr nett und wir werden uns auf jeden Fall wiedersehen. Was jetzt kam war eine richtige Durststrecke! Ich kam in das fragwürdige Vergnügen, die Kellermanngasse doch noch hinauf keuchen zu müssen (Wer meinen Beitrag über die Ampeln gelesen hat, weiß, daß ich da nicht unbedingt hoch wollte) und bis zur Piaristenkirche waren alle Lokale geschlossen. In der Pizzeria „Il Sestante“ bekamen wir dann endlich wieder ein Seidl und konnten uns auch mit einer Pizza stärken. Wenn man eine Pizza für fünf überhaupt als Stärkung betrachten darf. Wir wollten jedoch keine Zeit verlieren und bestellten gleich beim Pizzabäcker, als den bürokratischen Weg über den Kellner zu gehen und siehe da, wir bekamen die Pizza bereits nach wenigen Minuten. Ich habe einige Jahre gleich ums Eck gewohnt und darf behaupten, daß sie die besten Pizze ausserhalb Italiens haben. Allerdings keinen Stempel. Gleich gegenüber ist das „Maria Treu“, ein schönes, traditionelles Kaffeehaus. Wir ließen uns im Raucherbereich nieder und bekamen unseren Stempel gleich mit den Seidl. Wie ich nicht anders erwartet hatte, änderten sich im Laufe unserer Suche auch die Gesprächsthemen. Während der Alkoholpegel stieg, sank das Niveau. Es war dennoch sehr lustig und wann sonst kann man sich ungezwungen über die Fähigkeit zum vaginalen Orgasmus oder den Unterschied zwischen Blut- und Fleischpenissen austauschen, wenn nicht leicht beschickert nach ein paar Bieren? Da wir die zwei Mädls mithatten, wurde das Niveau soweit stabilisiert, das wir die Themen auf einer eher sachlichen Ebene angingen und auch auf die Ausdrucksweise achteten. Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für die beiden brechen. Großartig mitgehalten, auch was die Trinkgeschwindigkeit betrifft. Ich hatte Anfangs die Befürchtung längere Wartezeiten in Kauf nehmen zu müssen, aber ich habe mich geirrt und wurde eines Besseren belehrt. Wir hatten alle in etwa den gleichen Zug drauf, danke! Vom Maria Treu aus ging es weiter in den „Piaristenkeller“. Dort wurden wir angesehen wie etwas, das die Katze von draußen hereingebracht hat. Also wieder raus mit uns, wir müssen uns ja nicht anbiedern. Auf unserem weiteren Weg kamen wir an einem italienischen Ristorante vorbei, in dem vor einigen Jahren ein bereits verstorbener, rechtspopulistischer Politiker vor Übergriffen des Pöbels geschützt wurde und es entbrannte ein Streit zwischen den Mädls. Da fiel mir ein, daß ich in meinem Zorn beim Brunch vergessen hatte, die wichtigste Regel der Suche zu erläutern: No politics, no religion! Echt Leute, macht das nicht! Politik und Alkohol vertragen sich nicht und es gibt eben so viele Meinungen wie Diskutierende. Wenn ihr Freunde bleiben wollt, lasst es fürs Erste und diskutiert es zu einem späteren Zeitpunkt nüchtern und in Ruhe aus. Nachdem der Streit recht schnell beendet war gingen wir weiter, bogen in die Lederergasse ein und kamen zum „Café Zeit“. Miro, der Pächter, war sehr erfreut uns zu sehen. Wir kennen uns schon etwas länger und so kam zum Seidl gleich ein Slivovic. Ob er uns damit einen Gefallen getan hat, sei jetzt einmal dahingestellt. In die SpielBar, die ich seit ein paar Jahren regelmäßig aufsuche, gingen wir als nächstes. Dort waren einige bekannte Gesichter und ich konnte sogar noch zwei Mitstreiter für nächstes Jahr gewinnen. Ich bin Optimist und hoffe, daß sich dadurch nicht auch die Zahl derer, die mich versetzen, erhöht. Zum Seidl holten wir uns auch den zehnten Stempel im zwölften Beisl. Die Laudongasse hinunter kamen wir an zwei japanischen Restaurants vorbei, die jedoch leider geschlossen hatten, und erreichten unser Ziel: Das „Brot & Spiele“. Dieses Lokal ist seit nunmehr zehn Jahren mein Stammlokal. Obwohl ich ein Bierversuchsgegner bin, musste ich mein Seidl mit etwas Zitronensaft verbessern, denn das Bier, das nach einem Wiener Bezirk benannt ist, zählt nicht zu meinen Favoriten (nein, nicht dieser Bezirk). Daß wir dort einen Stempel bekamen, versteht sich von selbst. Zusammenfassend kann ich sagen, daß es ein guter Tag war. Um 13:00 Uhr losgezogen, bis 20:00 Uhr 13 Seidl gefunden (soviel wie im letzten Jahr), viel gelacht und Spaß gehabt, trotz des eher bescheidenen Wetters. Der Abend ist dann noch etwas länger und auch turbulenter geworden, aber das ist eine andere Geschichte. Die Sammlung der Stempel und Visitenkarten ist im Brot & Spiele zu bewundern, vielleicht stehe ich auch gleich daneben und kann die eine oder andere Anekdote erzählen. |
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