Hinter den Apfelbäumen lag flach wie ein Brett die Ebene. Außer Kartoffeln und Rüben war in diesem Herbst nichts mehr zu ernten. Die verschleierte Sonne hing uralt über den Stoppelfeldern. Der Septembernachmittag war voller Spinnweben. „Stinkfad, dieses Marchfeld, eine Gegend, in der einem die Füße einschlafen“, meinte Mehlmann zu seinem Nachbarn im schäbigen Fond der Kalesche. „Mir gefällt jede Ebene“, erwiderte Petrik. „Überhaupt wenn sie so still und leer ist wie hier.“
So beschreibt Gerhard Fritsch, der Vater des Buchhändlers aus unserem letzten Walk, in seinem Roman MOOS AUF DEN STEINEN die Marchebene. Ich bin sehr beeindruckt von dieser flachen Gegend, ein reizvoller Kontrast zu den steilen Hügeln des Wienerwaldes. Aber noch sind wir nicht dort. Mit dem 31er vom Schottenring bis nach Floridsdorf gefahren, in den Bus der Linie 33B umgestiegen und bei der Station Schwarzlackenau ausgestiegen. Durch den Uhuweg und schon sind wir beim Schönungsteich. Herrlich. Der Leopoldsberg spiegelt sich im Wasser und der weiße Fleck im Gras entpuppt sich als Schwäne im Liebesnest. Ein Graffito mit Jimi Hendrix und seiner Gitarre lässt mein Streetartherz höher schlagen. Der Himmel ist knallblau, strahlendes Wetter, die Sonne scheint. Winterlicht. Wir gehen bis zum Ende des Teiches und auf der anderen Seite weiter. Der Marchfeldkanal fängt zwar bei der Donau an, aber den Weg neben der Donauuferbahn erspare ich mir und meinem Hund. Rote Beeren, Stachelbeeren, Schilf, Binsen und die Schwäne schwimmen in gleißendem Licht auf mich zu. Sie genießen es, photographiert zu werden und ihre schneeweißen Federn strahlen in ihrer ganzen Pracht. Sterne auf dem Wasser durch die Lichtreflexion. Ich bin selig. Wenn ich nur eine bessere Kamera hätte….aber die Realität ist immer viel schöner als die Photos, tut mir leid. Selber gehen, selber schauen! Überall BADEN VERBOTEN und PRIVATWEG Schilder. Muss das sein? Am Ende des Weges werden wir aber auf einen hübschen Badeteich treffen, der uns darüber hinweg tröstet. Weiter gegangen, bis wir zu einer Straße kommen. Das ist der Mühlweg, ich kenne mich nicht mehr aus, gehe aber geradeaus, denn ein Informant hat mir erklärt, dass ich über eine Holzbrücke muss. Die Holzbrücke kommt endlich, ein Schwarm Möwen fliegt darüber hinweg und kreischt. Auf der Brücke stehen Leute, die sie und die Enten füttern. Diese Brücke kreuzt den Graedenerweg. Jetzt sind wir endlich auf dem richtigen Weg, es gibt keine Autos mehr, keine Straße, nur noch beeindruckend ausgedehnte, flache Felder, die jetzt im Winter leer sind. In der Schule haben wir gelernt, dass das Marchfeld „die Kornkammer Österreichs“ genannt wird. Der Marchfeldkanal wurde gebaut, um Wasser aus der Donau ins Marchfeld zu leiten und es so zu bewässern. Ich sehe viele von Bibern gefällte Bäume, beeindruckende Bauwerke. Auf den Tafeln entlang des Weges steht auch, dass die von den Bibern angefressenen Bäume umfallen können. Sie dürfen und sollen hier Bäume umwerfen und das Ufer zu einem Dschungel umgestalten! Wir kommen zu einem flachen Ufer, das mich an die Sommer meiner Kindheit am Inn erinnert, das Wasser schaut so klar und sauber aus, dass ich am liebsten schwimmen ginge. Da, ich sehe nicht recht, meine Hündin setzt meinen Wunsch in die Tat um und steigt vorsichtig ins Wasser, sie geht immer weiter und schwimmt los bis ans andere Ufer, das aber nicht so weit weg ist. Ich rufe sie zurück, sie kommt und schüttelt sich, die Sonne scheint. Alles in Ordnung. Bei der nächsten Eisenbrücke will ich schon weiter gehen, da sehe ich einen Mandarinerpel im Prachtkleid aus dem Schilf schwimmen. Bei so herrlichem Licht werden seine Farben ganz besonders schön leuchten. Leider ist er schüchtern und zu weit weg, er versteckt sich auch noch unter einem Astgewirr. Seltsam, dass er ganz allein ist. Verstecken sich die anderen oder ist er ausgestoßen worden? Ich sehe überhaupt keine anderen Mandarinenten. Folge ihm, unglaublich, wie schnell er ist. Ich muss mir ja den Weg durch das Gestrüpp bahnen und er schwimmt geradeaus. Er pfeift, so dass ich immer höre, wo er ist. Wegen den Mandarinenten habe ich vor mehr als zehn Jahren ernsthaft zu photographieren angefangen, deshalb ist es für mich immer eine Herausforderung. Bin eigentlich kein Hundemensch und kein Katzenmensch, sondern ein Entenmensch. Ich liebe alle Wasservögel, weil sie schwimmen und fliegen können. Sollte öfter hierher kommen, damit er sich an mich gewöhnt. Wir gelangen zu einer runden Kirche. Da ist die Brünner Straße und die Straßenbahnlinie 31, die uns zum Schottentor zurück bringt. Der Marchfeldkanal hat mir so gut gefallen, dass ich am Sonntag wieder hingefahren bin. Er wurde 1983 geplant und war in den 80er Jahren das größte Bauprojekt in Österreich. 1992 wurde das ökologische Vorzeigeprojekt offiziell eröffnet. Der Kanal ist ungefähr 20km lang und bedenkt man, dass sich auf beiden Seiten fast ohne Unterbrechung Wege ohne Autos befinden, ist das ein Riesenwegenetz für WILD URBs zum Wandern und Radfahren und Erforschen. Am Sonntag sind wir dort ausgestiegen, wo wir gestern eingestiegen sind, bei der Station Anton-Schall-Gasse der Straßenbahnlinie 31 und in Richtung Gerasdorf weiter gewandert. Das ist der wohl schönste Abschnitt. Riesige Sanddornbüsche, Feldhasen und Fasane fühlen sich hier wohl. Der Badeteich kurz vor Gerasdorf hat mich am meisten beeindruckt. Wunderschön im winterlichen Sonnenlicht. Im Mai komme ich sicher wieder zum Schwimmen! In Gerasdorf sind wir bei der Kapellerfelderstraße auf die Straße abgebogen und bis zur Schnellbahn gegangen. Sie ist leicht zu finden, weil daneben das Raiffeisen Silo aufragt. Beim nächsten Mal gehen wir von Gerasdorf nach Deutsch-Wagram, dann haben wir den ganzen Kanal besichtigt. Darauf freue ich mich schon! Autor und Bilder: A. Fink |
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