Unglück, Katastrophen und ähnlich tragische Ereignisse, passieren zumeist unerwartet. Kaum jemand rechnet mit ihnen und die meisten von uns könnten gerne auf sie verzichten. Trotz allem fällt andererseits immer wieder auf, dass Katastrophen aufgrund scheinbar auswegloser Situationen oft auch zu Kreativität anspornen und Unmögliches plötzlich möglich werden lassen.
Kurz vor Pfingsten 2013 wurde ein Abschnitt der Felbertauernstraße bei einem Felssturz zerstört und musste für den gesamten Verkehr gesperrt werden. Glücklicherweise gab es keine Verletzten zu beklagen. Die Aufregung war dennoch groß, immerhin verbindet die Felbertauernstraße Osttirol auf direktem Weg mit dem Pinzgau und gemeinsam mit der Straße über den Pass Thurn auch mit Nordtirol. Alternative Straßenrouten wären entweder als Ausweichroute wenig geeignet (Großglockner-Hochalpenstraße) oder so weit entfernt gewesen, dass man zwei- bis dreistündige Umwege in Kauf nehmen hätte müssen. Als sich abzeichnete, dass der Schaden erheblich war und die Sperre länger als nur ein paar Tage andauern würde, wurde fieberhaft nach einer Lösung für die betroffenen Pendlerinnen und Pendler gesucht. Man fand eine Lösung, und diese war überraschend kreativ. Die normalerweise über die Felbertauernstraße verkehrende Buslinie wurde geteilt, wobei die Busse aus beiden Richtungen so weit fuhren, wie es möglich war. Vom Norden (Mittersill und Kitzbühl) kommend fuhren die Busse bis zum Südportal des Felbertauerntunnels, vom Süden (Lienz) kommend fuhren die Busse bis zum Matreier Tauernhaus. Zwischen Tunnelportal und Tauernhaus konnten die Busse aufgrund des Felssturzes nicht verkehren, die Fahrgäste mussten zu Fuß gehen. Eine ehemalige Rodelbahn wurde hierfür zu einem ausgeschilderten Fußweg umfunktioniert, wobei 85 Höhenmeter überwunden werden mussten, was je nach Richtung 10 bis 20 Minuten Gehzeit erforderte. Seitens der Verantwortlichen war man einerseits stolz auf diese gemeinsame Initiative, andererseits war man mangels Erfahrung auch sehr vorsichtig: Es wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass die Fußwegstrecke vom Beförderungsvertrag mit dem Busunternehmen nicht umfasst werde, dass die Benützung nur für Pendelnde, Schüler und Studenten und nur zu Tageszeiten erlaubt sei, eine gute Kondition sowie festes Schuhwerk erfordere und auf eigene Gefahr erfolge, dass der Weg seitlich nicht durch Abzäunungen gesichert sei, dass der Weg weder verlassen noch abgekürzt werden dürfe und für Personen mit Handicap nicht geeignet sei. Trotz aller Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen handelte es sich um eine wirksame Lösung, die auch gut angenommen wurde. Fahrgästen mit Gepäck kam man sogar extra entgegen, indem ein kleines Unitrack-Fahrzeug zur Verfügung gestellt wurde, welches mit Gepäck beladen den Gehenden hinterherfuhr. Mehrere Wochen lang hielt diese in gewisser Weise faszinierende, fast unwirklich wirkende Idylle, in der die Pendlerinnen und Pendler zu Fuß die GEHbirgslandschaft zwischen Wiesen, Weiden und Bauernhöfen durchschritten. Da jedoch immer noch der Autoverkehr im Zentrum des politischen Denkens steht, wurde Mitte Juni trotz emsigem Arbeiten an der Wiederherstellung des zerstörten Straßenabschnitts mit dem Bau einer Ersatzstraße begonnen, welche bereits Ende Juli eröffnet wurde. Diese verläuft im Bereich des genannten Fußwegs und umfährt somit das zerstörte Straßenstück. Dadurch kann auch die Buslinie wieder ohne Unterbrechung geführt werden, ein Fußweg ist nicht mehr erforderlich. Ein solcher wäre seit Eröffnung der Ersatzstraße aber ohnehin nicht mehr attraktiv, der besondere Reiz der Situation, am Arbeitsweg durch unberührte Natur zu wandern, wäre nicht mehr vorhanden. Auch wenn man sich natürlich nirgends einen neuen Erdrutsch oder Felssturz herbeiwünscht, hat man für ein paar Wochen doch immerhin ein Vorbild geschaffen, das im Fall der Fälle vielleicht wieder einmal angewendet werden kann. |
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