Wir gehen heute ein bissl spazieren, an die frische Luft und dann darfst Fernschauen. Oh Gott, oh Gott. Was für eine Strafe für den kleinen Roland. Wienerwald oder Stadtbummel? Der Stadtbummel war das kleinere Übel. Schneller erreicht und ab und zu eine Auslage mit Spielwaren. Unerfüllbare Wünsche. Oftmals eh nur eine kleine Runde am Wienerberg, am Fuße der Hills. Also nichts wie schnell erwachsen werden. Moped mit 16. Die Hills am Colabergl rauf und runter, rauf und runter. Kein Meter mehr zu Fuß. Außer beim Anschieben von der blöden Kracksen. Auto mit 19. Kein Anschieben mehr, die Freiheit auf Rädern. Und die Füsse? Trotzdem nicht abgestorben. Sie werden ja zum Kondi trainieren verwendet. Joggen, Intervalllauf. Und dann kurzes regeneratives Ausgehen. Erinnerungen an die Fadesse des Spazierengehens. Trainingseffekt null. Und dann und wann den Boden der Realität verlassen und fliegen. Zwei Essen, drei Filme und ein Mützlchen später mit Verstopfung in New York gelandet. Offenbar verschließt sich mein Körper dieser Keinezeitreise. Ich mach zu. Gerade wo sich uns jetzt alles öffnet. Der Globus ist ein virtuelles Dorf. Selbst der Postbote ist beidbeinig beinamputiert. Ein Brief geht weg und ist schon dort. Von Pfaffstätten nach Nebraska in genau: jetzt. Immer mit der Geschwindigkeit der neuen Zeit mithalten. Müssen. Müssen? Einen Dreck muss ich. Es ist Zeit, die Welt, die immer schneller an mir vorbei zieht, wenn ich sie schon nicht anhalten kann, dann wenigstens zu entschleunigen. Per pedes. Die eigene Bauartgeschwindigkeit akzeptieren. Kein Grund zur Langsamkeit. Der schnellste Weg deine Welt kennenzulernen: Der Fußweg. Vorzugsweise mit gelegentlichem Stillstand. Alles andere ist Lug und Trug. Selbst am geliebten Fahrrad zieht das Leben ungelebt an dir vorüber. Irgendwann war doch ein Weg ein Ziel? An dem haben wir aber schon lange vorbeigeschossen. Uns selbst überholend steuern wir auf den Abgrund zu. Blödsinn. Da gibt's keinen Abgrund. Aber eine Wand. Die letzte Bremse. Fußgänger bremsen nicht, die bleiben einfach stehen. Und manchmal gehen sie sogar Wände hoch. ROLAND DÜRINGER (*31. Oktober 1963) – Wiener Kabarettist und Schauspieler aus dem 10. Bezirk:
Ich bin Fussgänger, zeitweise auch Fahrradfahrer, Motorradfahrer und Autofahrer. Meiner biomechanischen Ausstattung zufolge bin ich aber eindeutig und unverkennbar ein Fussgänger. Alles andere sind lediglich Bewegungsprothesen. Zu Fuss bin ich in guter Gesellschaft, eingebettet in ein lebendes System. Oder kennen Sie ein Lebewesen, das sich auf Rädern fortbewegt? Als Fussgänger erhöhe ich meinen Bewegungsumfang und Reichweite. Denn alles was Räder hat braucht Fahrwege. Über Stock und Stein geht es nur per pedes. Zu Fuss erhöhe ich meine Wahrnehmung. Gehirn & Füsse sind im Gleichgang. Die Beine können den Geist niemals überholen. Sollten sie dies versuchen, dann bleibe ich stehen und warte auf den Nachzügler. Meine Seele. Bonusvideo |
Kategorien
Alle
|