Ich wohne am Stadtrand, was neben Besuchen von Eichhörnchen, Katzen und Kröten im Haus auch bedeutet, dass es ein schönes Stück zu gehen gibt bis zur nächsten Öffi-Station. Free Walking heißt für mich neben dem lustvollen Schreiten auf einen Wegen auch viel zu sehen, was mich inspiriert.
Nach der ersten kalten Nacht, die das Ende des Sommers markiert, sehe ich auf meinem Weg zur S-Bahn-Station eine Versammlung von etwa zwanzig lautschnäbelig diskutierenden Krähen. Rot flammende Büsche stechen aus den vielen mein Auge erfreuenden Grüntönen hervor. Die Baldachinspinnen sind schon fleißig dabei, Büsche und Hecken zu verzieren. Eine feuchtkalte Brise weht mich den Hügel hinunter, ich ziehe die Jacke enger um mich und gehe schneller. Ich freue mich schon auf die Treppe zum Bahnsteig hinauf. Ja, ich liebe Treppen! Unterwegs in der Stadt gibt es für`s Stiegensteigen viele Gelegenheiten: statt mich auf eine überfüllte Rolltreppe zu quetschen, nehme ich lieber die Aufgänge zu den U-Bahn-Stationen und freue mich, oben angekommen, dass mein Herz schneller schlägt, dass ich meine Beine gut spüre, dass ich mich bewegen kann. Wenn ich früh genug von zuhause weg gegangen bin, steige ich auch schon mal eine oder zwei Stationen früher aus der U-Bahn und gönne mir einen kleinen Spaziergang entlang des Donaukanals. Am Wasser entlang zu gehen, hat seinen besonderen Reiz, bringt es doch meine Gedanken noch mehr ins Fließen als Gehen allein. Schön, dass da ab und zu eine Parkbank steht, da kann ich mich für ein paar Minuten hinsetzen und die frisch durcheinanderpurzelnden Gedanken in mein Notizbuch kritzeln. Ich wohne schon seit fast dreißig Jahren in Wien, in unterschiedlichen Bezirken. Nach jedem Umzug habe ich mit Begeisterung mein neues Grätzl gehend erforscht. Dabei habe ich Erinnerungsspuren gelegt. Interessant, wie durch das Gehen in der Stadt die unterschiedlichsten Erinnerungen an meine früheren gehenden Ichs ausgelöst werden. Ah, das war doch die Kreuzung, wo ich einmal um drei Uhr morgens mit C. getanzt habe. Ah, und in dieser Gasse ist mir meine Tochter mal aus dem Kinderwagen gefallen. Ja, und da bin ich immer durch die Allee gehetzt, um wenigstens zur zweiten Schulstunde vor dem Läuten in der Klasse zu sein. J Und da stand einmal mein Lieblingsbaum, unter dem ich so gerne in meinem Notizbuch geschrieben habe. In meinem Leben wie auch auf meinen Wegen durch die Stadt suche ich gerne neue Routen, weil ich dabei immer frische interessante Details entdecken kann. Von Routinen abzuweichen macht mich wach. Johanna Vedral, http://schreibstudioblog.wordpress.com/ |
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