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GEHtextet - ©Andreas Rinofner

5/11/2013

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Ich gehe im Kreis. Das ist mir am wichtigsten. Immer schon. Es ist nichts schädlicher für das Gehen, als ein Ziel zu haben. Ein Ziel verletzt das Gehen, setzt es unter Druck, macht es austauschbar. Irgendwo hingehen zu müssen, ist kein guter Umgang. Ich habe früh mit dem Gehen begonnen - im Zimmer, durch die Stadt, übers Land.

IM ZIMMER
Durch das Schreiben habe ich mit dem Gehen angefangen. Ich konnte mit keinem Satz beginnen, ohne auf und ab oder - besser noch - im Kreis zu gehen, wenn es der Raum zuließ. Das Denken musste in Gang kommen. Dabei konnte ich nicht sitzen bleiben. »Das ganze Unglück der Menschen rührt daher, dass sie nicht still in einem Zimmer bleiben können«, sagte Pascal irgendwann. So blieb ich drinnen. Aber Gehen musste sein. Ohne Gehen kein Gedanke. Wenn der Gedanke aber plötzlich da war, musste ich gehen, um meine Aufregung zu beherrschen, zu kanalisieren, dem Gedanken eine Sprache zu geben. Ich konnte immer nur kurz sitzen. Kein Wunder, dass es langwierig war, ein paar Seiten zu schreiben, dass meine Beine am Ende eines Tages müde waren. In meinem ersten Zimmer als Student waren nach einem halben Jahr die Spuren eines Kreisganges im Linoleumboden sichtbar. In späteren Zimmern musste ich aus Platzgründen auf und ab oder in einem Quadrad gehen.

DURCH DIE STADT
Durch die Stadt zu gehen war nicht so einfach, jedenfalls nicht von Anfang an. Durch die Stadt zu gehen, habe ich gelernt, von Paul Auster beispielsweise. In der »New York-Trilogie« schreibt er gleich zu Beginn er über seine Figur Quinn: »Was er aber am liebsten tat, war Gehen. Beinahe jeden Tag, ob Sonne oder Regen, heiß oder kalt, verließ er seine Wohnung, um durch die Stadt zu gehen - er ging nie wirklich irgendwohin, sondern ging einfach, wohin ihn seine Beine zufällig trugen.« Das ist nicht einfach. Tritt vor das Haus uns lass' dich treiben. Entscheide erst vor der Tür durch irgendeinen Impuls, ob du nach rechts oder links gehst. Überlege nicht schon am Weg, wohin du an der nächsten Kreuzung abzweigen wirst. Warte, was passiert. Immer weiter. Stundenlang. Nur so lernst du eine Stadt kennen. Aber du wirst sie nie kennenlernen, wenn du immer nur irgendwohin gehst. Auch wenn du diesen Stück Brot siehst, das ein Motorrad im Regen überfährt. Auch wenn du diese herzerweichende klare Stimme in der U-Bahn-Passage singen hörst. Auch wenn du diese Frau bemerkst, die allein in einem Vorstadtcafé sitzt und Tränen in den Augen hat. Auch wenn du das verschmierte Firmenschild an der Tür siehst, hinter der es keine Firma mehr gibt. Auch wenn du das merkwürdige Grinsen eines alten Mannes wahrnimmst während er am Morgen die Müllmänner beobachtet. Auch wenn dir auffällt, dass der Obdachlose in diesem Durchgang auf einem ausgebreiteten »Karriere-Standard« liegt. Auch wenn du das alles bemerkst. Es ist nur Kulisse, wenn du irgendwo hin musst. Wenn du aber kein Ziel hast, bist du Teil der Szene.

ÜBERS LAND
Das Land ist immer menschenleer. Auch wenn ich welche treffe und sogar grüße. Beim Gehen übers Land begegne ich keiner Menschenseele. Ich rieche das feuchte Laub am Weg. Ich sehe das goldgelbe Weinlaub in der Sonne. Ich beobachte die lockere Erde, die der Regen fortschwemmt. Kein Gehen ohne Stehenbleiben. Und dieses Stehenbleiben ist nicht immer eine Rast. Vielleicht habe ich im Gehen einfach nur meinen Standpunkt verloren. Und ich kann am Ende nur sagen, dass ich diese goldgelbe Farbe gehört oder gerochen habe. Einen Zweig davon lege ich zu Hause auf die Kommode. Aber ich kann darüber nichts erzählen. Es bleibt ein Erlebnis im Gehen.

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