Wieder wandere ich entlang der U4 Trasse. Diesmal steige ich bei der Urania aus, gehe über die Brücke die Treppen hinunter zur Lände. Überall wird jetzt im Sommer Sand aufgeschüttet, die Leute sitzen in bequemen Strandliegen mit einem Cocktail in der Hand. Gehobenes Laissez-faire. Ich schlendere am Wasser entlang, gegenüber ziehen die Partyschiffe an mir vorüber. Wie ein Ufo wirkt die Einstiegstelle der Bratislavafähre. Ich bewundere die Graffitikünstler, und andere, die hier klettern. Eine Fähre mit glücklichen Touristen zieht vorüber. Der Wind rauscht in den zitternden Birkenblättern. Die Enten tummeln sich zufrieden im Donaukanal. Mir fallen andere Fähren ein, von denen erstaunlich wenig in den Zeitungen zu lesen ist. Könnten wir so gemütlich und nonchalant hier sitzen, würden diese Boote hier durchs Wasser gleiten?
Ich meine jene Hunderte von Schiffen, die an der nordafrikanischen Küste in See stechen. 20.000 Flüchtlinge sind heuer, nur heuer! auf der kleinen italienischen Insel Lampedusa gelandet. Doch nicht alle erreichen das Tor nach Europa. Hunderte von Menschen drängen sich auf die hoffnungslos überfüllten Boote. Sie stechen in See ohne Kapitän. Die Menschen werden mit einem Navigationssystem, das sie nicht zu bedienen gelernt haben, in ein Boot gesetzt und ihrem Schicksal überlassen. Tausende landen auf der kleinen, überfüllten Insel, hunderte Ertrinken im Mittelmeer, immer wieder werden Leichen geborgen. Viele der Schiffe sind gar nicht seetauglich. Könnten wir hier in Ruhe Cocktail trinken, wenn sie hier vorüberzögen? Bei der Rossauerlände hängen die Trauerweiden ihre langen Arme sehnsüchtig ins Wasser und ich denke an jene Frau, die mit hunderten von Menschen von Gaddafis Soldaten mit ihrem Kind auf ein Boot getrieben wurde. Es kam nicht weit, ein wilder Sturm brachte das Schiff zum kentern, das Kind ertrank, mit knapper Not erreichte die Frau wieder die libysche Küste. Alleine. Wenn diese Schiffe auf Riffe stoßen, springen die Menschen vor Panik ins Wasser und ertrinken hilflos. Das Mittelmeer wird zum Massengrab. Könnten wir hier träge in der Sonne fläzen, würden sich diese Dramen vor unseren Augen abspielen? Ich spaziere an dem wunderschön gepflegten Rosarium vorbei, der Duft betört die sich hier gern aufhaltenden Pensionisten. Mir fällt die Meldung von jener anderen Frau ein, die auf einer dieser lebensgefährlichen Überfahrten Richtung Europa ihr Kind gebar. Sie wurde per Helikopter geborgen und nach Lampedusa gebracht. Würde den Menschen beim Summerstage der Spritzer noch schmecken, müssten sie Zeugen dieser Szenen werden? Inzwischen sehe ich bis Klosterneuburg, folge der Lände bis zur Friedensbrücke. Eine Fähre voller glücklicher Touristen zieht ihre Wellen im Wasser hinter sich her. Ich steige in die U-Bahn und frage mich, was ich tun kann, außer die Leute darauf aufmerksam machen. Wieviel Leichen müssen aus dem Wasser geborgen werden, bis etwas geschieht? |
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