In der Straßenbahnlinie 58 sitzt eine lustige amerikanische Familie, die das Schloß Schönbrunn sucht und mich an diesem grauen, kalten Tag aufheitert. Besonders der kleine Bub, der so herzlich lacht, dass mir ganz warm ums Herz wird. Er diskutiert mit seiner Schwester: Sie will einen rabbit und er einen puppy dog, den er ins Bett mitnehmen kann. Sie werden sich nicht einig, aber da ist das Schloß schon und sie steigen aus.
Ich fahre weiter und gehe zum Küniglberg, damit sich mein Hund austoben kann. Dann weiter mit dem 60er bis zur Kaiser-Franz-Josef-Straße, zum Ambrosweg, der zum Ententeich führt. Es ist eiskalt, alles ist angezuckert, der Schnee schaut auch wirklich aus wie Zucker, weil er halb gefroren ist. Diese Stelle ist deshalb sehr interessant, weil hier die Dürre und die Reiche Liesing zusammenfließen. Die Dürre ist der kleine Wasserfall, der aus dem Felsen kommt. Deutlich sichtbar. Die Dürre Liesing heißt deshalb so, weil sie durch die Kalkzone fließt, also im Erdreich versickert. Die Reiche Liesing fließt durch die Flyschzone, das heißt sie kann schnell zu Hochwasser führen, weil der Boden das Wasser nicht aufnimmt. Für Wanderer deutlich erkennbar als Gatsch, der einen im Frühjahr nach der Schneeschmelze immer so erfreut. Gummistiefel anziehen und das Problem ist gelöst. Es macht dann sogar Riesenspaß, durch den Dreck zu gehen. Ich überlege, ob wir nach rechts in Richtung Biotop oder nach links in Richtung Zugberg gehen sollen. Beim Biotop gibt es Biber und Graureiher, beim Zugberg Wald und eine Kletterwand und das Kollegium Kalksburg, wo André Heller im Internat war und wenn wir noch weiter gingen, kämen wir zum Kalkwerk. Ich entscheide mich für das Biotop, zum Zugberg gehen wir am Samstag. Nach ein paar Schritten steht er vor mir: ein prachtvoller Graureiher in graublau, grau und weiß. Durch das trübe Winterlicht sieht er aus wie Graf Robert de Montesquiou auf dem Gemälde von Giovanni Baldini. Er lässt sich photographieren, schaut in die Kamera und bewegt sich nicht. Ganz offensichtlich friert er, außerdem schaut er traurig aus, aber vielleicht projiziere ich das nur in ihn hinein an diesem traurigen Tag. Wir kommen zu den Schnellbahnpfeilern, die Graffiti spiegeln sich im Wasser der Liesing. Das sehe ich zum ersten Mal. So unbewegt ist das Wasser, es wird bald zufrieren. Weiter zur Aumühlgasse, war hier einmal eine Mühle, eine Au? Wir müssen den Bach kurz verlassen, weil der Weg aufhört, im Sommer könnten wir durch den Bach waten, obwohl die Liesing an manchen Stellen ziemlich tief ist. Über einen Aufruf, der am Zaun klebt, amüsiere ich mich: 200 € Finderlohn für den, der den Sprayer ausfindig macht, der auf die Gartenmauer gesprayt hat! Liebe Sprayer, lasst private Häuser in Ruhe! So, jetzt sind wir beim Riverside Komplex angelangt, einem Wohngebäude mit Einkaufszentrum in Form eines Luftschiffs, das die Liesinger Brauerei ersetzt. Zur Erinnerung an die Brauerei gibt es eine Gedenktafel auf der Brücke über die Liesing. Ich weine ein bisschen um die Brauerei, weil mir so kalt ist, will ins Einkaufzentrum, um mich zu wärmen, aber auf dem Weg verirre ich mich wieder einmal und stehe im Hinterhof des Gebäudes. Es scheint mitten in den Wald hineingebaut worden zu sein, denn da stehen noch ein paar einsame Bäume auf einem kahlen Hügel. Der Aquädukt, den wir schon bei der Aumühlgasse gesehen haben, geht hier weiter. Er leitet das berühmte Hochquellwasser aus dem steirischen Gebirge in die Stadt Wien, früher direkt in den Speicher vor meiner Tür beim Meiselmarkt, wohin jetzt, weiß ich aber nicht. Ich muss dem nachgehen….Wir gehen aber so und so in die andere Richtung, unter der Schnellbahn durch und schon sind wieder beim Bachufer. Ich komme an einem Autofriedhof vorbei, HACH! Dann ein großer, mächtiger Wasserfall, groß für die Verhältnisse der eher schmalen Liesing. Ein junger Mann hat Brot in den Bach geworfen, das Brot schwimmt sehr schnell zum Wasserfall, stürzt sich das Gefälle hinunter und unten wartet schon ein Entenschwarm auf das Futter. Die Liesing verschwindet jetzt unter einer Brücke, deshalb gehen wir durch den Park hinter dem Wohnhaus und stehen bei einer Kreuzung. Das ist die Brunner Straße. Seltsam, als ich beim Marchfeldkanal war, stand ich auf der Brünner Straße. Lauter Brunnen, aber eine ganz andere Gegend. Gegenüber ist ein Haus mit einem hübschen, noch erhaltenen Graffito, einer Wandzeichnung, die die Schmiede der Anna Pittenauer von 1507 darstellt. Erstaunlich! An diesem Haus vorbei nach links und schon sind wir wieder beim Bach. Bald sind wir bei den Wohnsilos in Alt Erlaa, das alte zugewachsene Haus auf dem Weg fasziniert mich, war das eine Fabrik? Vorbei an Eisenkunstwerken und Baumkunstwerken. Feli trifft eine Spielgefährtin und saust mit ihr ein paar Runden. Da wird ihr wenigstens nicht kalt. Wer jetzt Hunger hat, kann in die Patisserie Landtmann oder ins Einkaufszentrum Alt Erlaa gehen. Wir gehen weiter über die Altmannsdorfer Straße. Wer jetzt nach links abböge, käme zum Schöpfwerk und dem Parkplatz, auf dem der Film INDIEN anfängt, mein Lieblingsfilm, obwohl TRIEST gute Chancen hätte, mein neuer Lieblingsfilm zu werden. Wir gehen durch ein Tor, das zu Kleingärten führt, daran vorbei und da sind sie: Krähenschwärme. Wir kommen schon wieder zu einer Autobahn, das muss die Triester Straße sein, denn von ferne sind die Wienerbergtürme zu sehen. Über die Kreuzung, an der Liesing entlang, wir stehen vor hohem Schilf. Das ist der Teich, ich gehe bis zum Ende des Biotops. Auf einem Häuschen steht: FROST. Wir sind wirklich schon halb erfroren, ich muss noch auf die andere Seite, denn da habe ich im Sommer einen großen Biber gesehen, aber heute sehe ich weder Biber noch Graureiher, dafür ist der Teich halb zugefroren. Wir sind jetzt auch nicht mehr ganz fit, gehen zurück zur Triester Straße, wo die Linie 66A hält, die uns zur Schnellbahn in Atzgersdorf bringt. Dass ich dann 2 Stunden gebraucht habe, um nach Hause zu fahren, weil der 10A nicht gekommen ist, ist eine andere Geschichte. Die Liesing ist in der warmen Jahreszeit schöner, aber dafür tröste ich mich jetzt mit einem Video vom Sommer, wo das Licht unter das Wasser scheint. Autor und Bilder: A. Fink |
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