Fragt man nach klassischen Assoziationen zu New York City, insbesondere Manhattan, wird man wahrscheinlich die Attribute groß, hoch und laut zu hören bekommen. Viele Autos gebe es, Leuchtreklamen, Wolkenkratzer und alles sei in gewisser Weise ungewohnt überdimensioniert. So viel zum gängigen Bild dieser riesigen Stadt, das nicht einmal als einseitig oder klischeehaft bezeichnet werden kann, weil es eben nun einmal wirklich so war.
War? Nun, es ist zwar keineswegs so, dass plötzlich alles anders ist, denn all das soeben Beschriebene gibt es auch heute noch im „Big Apple“ und genau das kennzeichnet ja auch seine Faszination. Eine Faszination, die allerdings nicht unbeschränkt war. Denn häufig wird man auch zu hören bekommen, dass diese Stadt zwar unbedingt besuchenswert und eindrucksvoll sei, man jedoch froh sei, nicht dort zu leben, weil im Gegensatz zu gewohnten europäischen Gefilden dann doch alles etwas zu groß, zu hoch und zu laut wäre, die Wege zu weit, der Grünraum zu wenig, die Mitmenschen zu anonym. Und genau hier bröckelt das Klischee seit einiger Zeit. Anfangs eher unbemerkt, mittlerweile aber nicht mehr zu übersehen. Der Moloch wird menschlich! Alles deutet darauf hin, als man ob man sich an ein neues, etwas verändertes Bild von New York City einstellen darf. Uns Gehenden fällt es – wie so oft – als Erstes auf. Wer durch Manhattan flaniert, muss sich als zu Fuß gehende Person plötzlich nicht mehr auf volle Gehsteige und den Central Park beschränken. Immer öfter begegnet man im Straßenraum ehemaligen Autofahrspuren, die zu verbreiterten Fußwegen oder sogar zu improvisierten Plätzen umfunktioniert wurden. Das Zaubermittel dafür ist hauptsächlich bunte Farbe. Mittels blau, grün oder gelb eingefärbtem Asphalt konnte vielerorts auf einen Schlag Platz für Menschen statt Autos geschaffen werden, zum Gehen, Flanieren, Schauen oder Sitzen. Ja, sitzen, denn nicht selten wurden zugleich auch Sessel aufgestellt, auf denen man Pause machen oder das Stadtgeschehen beobachten kann. Manchmal gibt’s auch kleine Stände, bei denen man sich Kaffee oder kleine Snacks holen kann, jedoch nur wer will, denn grundsätzlich herrscht dort keinerlei Konsumzwang. Es konnte hier also mit wenig Aufwand schnell und wirkungsvoll mehr nutzbarer öffentlicher Raum geschaffen werden. Teilweise kann man sogar neidisch werden, denn obwohl Europa für seine fußgängerfreundlichen Altstadtstrukturen weltweit bekannt ist, gelingen derlei Fortschritte heutzutage hier oft nur sehr langsam, etwa wenn jahrelang um verkehrsberuhigte Straßen, Fußgängerzonen oder Alleebäume gestritten wird – in NYC hingegen ging das überraschend schnell. Überraschend, weil die Stadt wie eingangs beschrieben nicht für solche Freiräume bekannt war und weil das Auto dort noch mehr als anderswo als Statussymbol behandelt wurde. Doch da der Nutzen und die Wirkung von qualitativ hochwertigem öffentlichem Raum erkannt wurden, sei es die Steigerung der Lebensqualität, die bessere Luft oder die höhere Verkehrssicherheit, wartete man nicht lange, sondern nahm seitens der Stadtverwaltung den Pinsel in die Hand und malte Fahrspuren zu Plätzen um, vergrößerte die Wartebereich an Fußgängerampeln mittels bunter Farbflecken, stellte ein paar große Blumentöpfe zur Abtrennung auf und zeigte dadurch schlichtweg, wie sympathisch solche Maßnahmen sein können. Wie schön es ist, wenn man sich am Times Square nicht mehr durch stauende oder rasende Autokolonnen kämpfen muss, sondern sich in der neu geschaffenen Fußgängerzone auf einen der vielen knallroten Sessel hinsetzen kann. Und wie sich das Sozialgefüge verändert, wenn man Bekannte auf der Straße trifft oder neue Bekanntschaften knüpft anstatt einander anonym im Stau anzuhupen. Ob sich der ohnehin geringe Aufwand ausgezahlt hat, braucht man nicht lange fragen. Ein Blick auf die vollen Plätze und die dort vorherrschende Lebensfreude reicht aus. Autor: Loris Knoll |
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