Vor ein paar Tagen hab ich die Mandarinenten beim Heustadlwasser gesehen. Das Wetter war trüb und ich hatte nur meine kleine Unterwasserkamera mit, was bedeutet: zu wenig Zoom. Am nächsten Tag bin ich wieder hingefahren, strahlendes Wetter, volle Akkus, leere Speicherkarten, aber die Mandarinenten waren unauffindbar. Eine Frau, die hier jeden Tag mit ihrem alten Barsoi spazieren geht, hat mir gesagt, dass die Mandarinenten auch oft beim Mauthnerwasser seien. Deshalb sind Ophelia, meine Hündin und ich heute dort hingefahren:
Vom Westbahnhof mit dem 18er zur Schlachthausgasse und von dort mit dem 77A zum Lusthaus. Hinter dem Lusthaus frage ich die Leute beim Spielplatz, wo das Mauthnerwasser ist. Keiner weiß es, das ist ein gutes Zeichen, denn heute ist Samstag und wir werden trotzdem beinahe ungestört sein. Eine Frau zeigt nach rechts: „Do hintn is a Wosser!“ Wir finden eine fast unberührte Wildnis, ein richtiges Paradies. In einer Welt, in der alles streng reglementiert, geordnet und eingeteilt ist, ist so ein Dschungel ein Geschenk. Eine Frau mit einem Hund kommt uns entgegen. Ich frage sie, welche Beeren das sind, die hier überall im Schilf wachsen und die, wie ich finde, sehr apart aussehen. Im Winter muss hier eine Vogelkolonie sein, denn solche Beeren sind eine kostbare Nahrungsquelle. Die Frau meint, das sei eine Form des Hartriegels. Ich bedanke mich und wir gehen weiter. Der Weg ist erstaunlich gut passierbar, ich komme aus dem Staunen überhaupt nicht mehr heraus. Auch Ophelia fühlt sich pudelwohl, das sehe ich an ihrer wild hin und her wedelnden Rute. Heute habe ich meinen Lebensbaum gefunden. Es ist keine vom Lebensbaumkreis vorgeschriebene Zeder, sondern eine alte gebeugte Weide, die immer noch austreibt. Sogar jetzt im November. Am Ende des Wassers ist das Licht so herbstlich dunstig und weil sich die Sonne inzwischen gezeigt hat, leuchtet alles. Am anderen Ufer ist der Weg schon fast zugewachsen. Es gibt jedoch einen schönen, breiten Fußweg, auf dem Wanderer und Radfahrer zu sehen sind und wie in einem Traum bewegt sich ein Ross behutsam und leise vorwärts. Sein Führer ist zwar unsichtbar, aber doch da. Die roten Beeren und Pfaffenhütchen leuchten im Novemberlicht und verführen mich ständig dazu, sie zu fotografieren. Frische Biberspuren verraten mir, dass hier Biber leben und ich erinnere mich daran, dass ich eigentlich die Mandarinenten suche. Wieder am Spitz angekommen, sehe ich zwar ein Schwanenpaar und viele Enten, aber keine Aix galericulata. Das Schwanenpaar ruht auf einem toten Baumstamm; als ich sie filme und photographiere, fangen beide an, sich zu putzen. Sie verhelfen mir zum Photo des Tages, als der Schwan neben seiner Gefährtin die Flügel ausbreitet und sich das schöne Paar im Wasser spiegelt. Die Mandarinenten werden bestimmt bald wieder auftauchen, vielleicht sind sie ja beim Krebsenwasser. Das heb ich mir für den nächsten Walk auf. Auch ohne sie war dieser Rundgang eine Augen- und Seelenweide. Und ich hab eine Schwanenfeder gefunden: Ist das nicht ein gutes Zeichen? Text: A. Fink |
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