Die Frage warum Menschen gehen, beschäftigt mich immer wieder. So auch in diesem heutigen Beitrag. Nun das Gehen, die ursprünglichste alle Fortbewegungsmöglichkeiten des Menschen, ist allseits bekannt. Aber warum gibt es Menschen die wirklich sehr viel gehen? Also ich spreche hier von mehreren hunderten Kilometern. Menschen, die ihre „daily dosage“ an Gehen benötigen, um "ganz" zu sein.
Als passionierte Geherin habe ich in den letzten Jahren einige „Hardcore- Geher“ kennengelernt. Es sind Menschen, für die das Gehen mehr als nur Fortbewegung ist und ich möchte Euch nun einen kleinen Einblick in ihre/unsere Welt ermöglichen. Da ist Christian, ein Bauunternehmer, er hat das Gehen für sich als Burn-Out-Prävention entdeckt und war in den letzten Jahren schnell und weit unterwegs. Mittlerweile ist er eher langsam unterwegs, mal über die Alpen, mal bei 100km Wanderungen. Martin - er hat das Gehen zu seinem Beruf gemacht und schreibt Wanderführer. Immer auf der Suche nach neuen Routen und Wegen, die noch nicht so bekannt sind, abseits des Mainstream. Und Peter, der am Weg nach Mariazell „erleuchtet“ wurde und seitdem immer weiter, höher, schneller und mehr geht. Er nimmt an Ultrawanderungen teil und macht Solo-Wanderungen. Er berichtet darüber in seinem Blog. Michaela hat nach schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen das Gehen für sich entdeckt und ist seitdem eine leidenschaftliche Geherin. Sie sucht beim Gehen nach kreativen Lösungen für ihr berufliches Umfeld. Harald geht für sein Leben gern und in Zeiten besonderer Herausforderungen war intensives Gehen für ihn oftmals eine Hilfestellung. Er geht gerne alleine und in Gemeinschaft, aber immer öfter in Stille. Stefan ist bereits als Kind viel hochgebirgs- weit- und flurgewandert. Dass ihm diese Mühsal später einmal gefallen würde, hätte er nicht gedacht. Wirbelsäulenschmerzheilungsbedingt (ist fast das Wort des Jahres 2016 geworden) geht er schleichend wie ein Indianer. Es ist sehr wichtig, dem Gehen einen gebührenden Raum im Leben zu geben, wir sind darauf geprägt, wir Menschen, und sollten wohl mit dieser Art von Fortbewegung einen guten Teil unsere Zeit verbringen, damit es uns gut geht. Kerstin aus Stuttgart wandert gerne, mal schnell und weit, mal langsam und bedächtig. Zur Zeit eher langsamer unterwegs, da sie nach einigen 24Stunden-Wanderungen die Lust am Kilometer-sammeln verloren hat. Darum genießt sie nun wieder mehr und ist gern auch mehrtägig mit Übernachtung unterm Sternenhimmel unterwegs. Thorsten - für ihn ist die Bewegung und die Begegnungen, die Erlebnisse, der Aufenthalt in der Natur von großer Bedeutung. Es ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die das Gehen für ihn zu einer substanziellen Sache machen. Das zur Ruhe kommen, das Entspannen. Es ist für ihn ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil seines Lebens. Er geht von Bahnhof zu Bahnhof, von Stadt zu Stadt. Ich selbst gehe seit 6 Jahren sehr viel, für mich ist GEHEN nach einem Autounfall mein Sport, ich gehe täglich mindestens fünf bis zehn Kilometer und wenn ich längere Zeit nicht gehen kann, werde ich ziemlich unrund. Für mich ist GEHEN Psychohygiene, Entschleunigung. Beim Gehen kann ich denken oder mich einfach wegbeamen und manchmal fehlen mir auch kurze Teilstrecken, weil ich in mir versunken war. An anderen Tagen nehme ich alles um mich herum viel intensiver wahr, erfreue mich an meiner Umgebung, an einem Grätzl, dass ich grad entdeckt hab, an Menschen oder Tieren, welche mir begegnet sind. Es gibt hundert verschiedene Gründe, warum wir gehen. Wichtig ist nur, dass wir es tun! In Wien oder in Berlin oder wo auch immer. Gerade erschienen: BERLIN WANDERT > hier GEHTs zur Leseprobe! Text: ©BellaDraxler Es war am letzten Wochenende als ich das erste Mal wieder so richtig unterwegs war. Also so richtig, und damit meine ich nicht im Schneckentempo um den Häuserblock, so wie die letzten Wochen und Monate. Ich weiß nicht, wie es kam. Doch seit Jahresbeginn folgte eine Verkühlung auf die nächste und ein Virus dem Anderen und mein Körper war irgendwann nur noch erschöpft und ausgelaugt vom Durchhalten, vom Arbeiten und vom Warten dass es irgendwann besser wird. Möglicherweise auch, weil kein richtiger Winter bei uns Halt gemacht hat, und der Körper sich keine Zeit zur Erholung gegeben hat. Ich weiß es nicht.
Aber jetzt, jetzt ist es soweit, beim Gehen habe ich das Gefühl alle Menschen denen ich begegne lachen mich an und wir haben gerade etwas gemeinsam was und trägt. Und dann habe ich den Flieder gerochen, die feuchte Erde und das frisch gemähte Gras, ich war richtig high davon. Die Bienen, Hummeln und Schmetterlinge haben ein wenig verdattert und unkontrolliert Flugbahnen gegenseitig ihre gekreuzt, ein recht nettes Schauspiel, welches ein wenig an die Red Bull Flugshow erinnert. Die Bäume haben sich wieder ihr grünes Kleid angezogen und stehen nicht mehr nackig da. Die Vögel unterhalten sich lautstark über die Neuigkeiten im Wald, wobei der Kuckuck und der Specht die Beatbox übernehmen und die frisch gelandeten Störche die Überwachung von oben gesichert haben. Ich brauche keinen iPod im Wald, der Wald ist mein iPod. Meine Schritte auf Gras, Schotter, Steinen und Sand, sind Musik in meinen Ohren. Meine Füße haben mich zwar noch nicht so weit getragen wie ich es gerne gehabt hätte, doch das ist mir jetzt gar nicht mal so wichtig. Letztes Jahr hatte ich um diese Jahreszeit bereits die erste Weitwanderung hinter mir und war konditionell um einiges besser beisammen. Doch auch das ist mir jetzt egal. In diesem Moment, wo ich auf einem Holzzaun sitze und ein drei Wochen altes Hochlandrindbaby sehe, welches irgendwie aussieht wie ein Alpaka ist es mir egal. Auch ist es mir egal, dass mir die Sonne wie wild ins Gesicht scheint und ich morgen mit Sicherheit einen roten Rand um meine Augen und eine rote Nasenspitze auf meinem sonst eher bleichen Gesicht haben werde. Und wisst ihr auch warum? Weil ich das erste Mal seit langem das Gefühl habe, dass alles gut wird – alles gut werden darf. Beginnend mit diesem Moment hier und jetzt auf dem Holzzaun. Mit all dem was ich höre, sehe und fühle. Autorin: Bella Draxler ….ja ich weiß, das klingt jetzt vielleicht abgedroschen, aber es geht mir immer öfter so. Lasst mich euch eine kurze Geschichte erzählen. Letzte Woche, sitze ich in einer Besprechung, sie dauert stundenlang und ich sehe in immer kürzeren Abständen durch das Fenster die Sonne und denke mir, hoffentlich schaffe ich es noch ein paar Schritte zu gehen, bevor sie untergeht.
Nach der Besprechung, mental ausgelaugt, aber körperlich fit - bin ich inmitten von Betonbauten irgendwo im 21. Bezirk, einer Gegend, die ich noch dazu nicht so gut kenne. Also hinein in den Bus Richtung Donauinsel, da sehe ich plötzlich einen schmalen Streifen grün zwischen den Häuserschluchten. Schnell wieder raus aus dem Bus. Und dann erwartet mich eine total wilde, ursprüngliche Gegend. Eine Mischung aus Feld, Wiese und Wald. Das habe ich hier nicht erwartet. Ich streife durch das kleine Waldgebiet, welches sehr naturbelassen ist und nur einige Trampelpfade bietet und komme auf der anderen Seite in einer Parkanlage heraus. Moment, aber hier war ich doch schon mal. Ich schau mal auf mein Navi und siehe da: Nähe Aupark – ok – dann bin ich doch gleich auf der Donauinsel. Dieser kleine Wald sollte also nur der Einstieg zu einer Rundwanderung von fünf Kilometern sein. Beginnend in Jedlesee, Schwarzlackenau, Donauinsel, Aupark und retour. Die Sonne hat mich den ganzen Weg über begleitet und mein Kopf war nach dieser Mischung von Wald, Wiese und Wasser wieder frei. Auf diese Art und Weise habe ich schon viele neue Gegenden in Wien, aber auch in anderen Städten kennengelernt. Wege, die ich sonst nicht gegangen wäre. Ich finde es immer spannend, nicht genau zu wissen, was mich nach der nächsten Abzweigung erwartet. Worauf ich stoße, was wird es diesmal sein, was das nächste Mal? Es ist wie das nächste Kapitel bei einem Buch, die nächste Folge bei einer Serie, nur realer. Autorin: Bella Draxler Während die Mehrheit der ÖsterreicherInnen am 1. November pflichtgetreu ihren Friedhofsrundgang absolvieren, habe ich gemeinsam mit etwa 200 Lauf- und GEHwütigen versucht Wien zu umrunden bzw. es gab bei diesem Bewerb die Möglichkeit 120km um ganz Wien in 24h oder 60km in 12 zu absolvieren. Ich entschied mich für die 60km in 12h, im Hinterkopf habend, auch dies wahrscheinlich nicht zu schaffen, aber egal. Dabei sein ist bekanntlich alles!
Um 7 Uhr morgens, ein herrlicher Novembertag. Der Start – nette Menschen wohin das Auge reicht. Man wünscht sich Glück, keine übermotivierten Schnösel trifft man hier, sondern, auch wenn man jetzt nicht seinen super idealen Bodymaßindex hat, das Gefühl hier dazu zu gehören. Es geht los. Doris und ich beladen mit Rucksäcken voller Proviant (damit wir nicht verhungern und verdursten) und sind bester Laune. Wir gehen es gemütlich an, plaudern und versuchen unser Tempo zu halten. Nach Kilometer 30 beginnen bei Doris die Achillessehnen Probleme zu machen und da wir abgemacht haben, zusammen zu bleiben, drosseln wir das Tempo und quälen uns durch die Lobau. Gott sei Dank noch bei Tageslicht, die 120km Läufer bezeichnen die Strecke ein bisserl als "Blair Witch Projekt", was ich sehr gut nachempfinden kann. Die erste Verpflegungsstation ist in Sicht. Frankfurter Würstel, Nutellabrote, Traubenzucker und Gatorade. Rein damit. Ich will mich nicht hinsetzen, sonst komm ich nicht mehr hoch. Ok. Also 15 Minuten Pause. Flaschen auffüllen – weiter GEHt´s. Schön langsam wird es dämmrig. Wir gehen irgendwo hintaus – Essling – Süssenbrunn. Auf Feldwegen, durch Wälder. Stirntaschenlampen an. Warnwesten an, sonst werden wir von Jägern erschossen – Hilfe! Doris, bist du noch da? Ich muss aufs Klo, hab aber Angst, dass ich nicht mehr hoch komme, wenn ich mich jetzt irgendwo in den Busch setze. Lach- und Erschöpfungsflash bei Kilometer 34 – ich finde plötzlich alles lustig. Wir reden über Flüchtlinge und wie die das wohl durchhalten, ohne Equipment. Wir sind erschöpft, uns tut alles weh, uns ist kalt. Ach, eine Busstation. Wir hängen gerade an Laternenmasten den Blick sehnsüchtig zur Busstation gerichtet, da kommt gazellengleich ein 120km Läufer dahergehopst, begleitet von einem Heinz Jürgen Ressar, welcher meint „sieht gut aus Mädels“. Wir bezweifeln, dass es gut aussieht, was wir da machen, schleppen uns aber weiter in Richtung Nebel und Ungewissheit. Unser Stundenschnitt ist mittlerweile miserabel, kaum noch Sicht, Gangunsicherheit, bisschen spooky. Und bei jeder Markierung die große Freude, dass wir richtig sind. Irgendwie wollen wir noch weitergehen, aber wir können einfach nicht mehr. Bei Kilometer 44,5 – rufen wir die Hilfsflotte an, um uns abzuholen. Ein wenig wehmütig sind wir schon, dass wir aufgeben mussten, doch es ist nicht schlimm aufzugeben. Es war eine wertvolle Erfahrung. Ich bin noch nie an einem Tag, an einem Stück so lange, so weit gegangen. Nächstes Jahr kommen wir wieder, mal sehen, vielleicht schaffen wir dann die 60 Kilometer. Autorin: Bella Draxler Fragt man nach klassischen Assoziationen zu New York City, insbesondere Manhattan, wird man wahrscheinlich die Attribute groß, hoch und laut zu hören bekommen. Viele Autos gebe es, Leuchtreklamen, Wolkenkratzer und alles sei in gewisser Weise ungewohnt überdimensioniert. So viel zum gängigen Bild dieser riesigen Stadt, das nicht einmal als einseitig oder klischeehaft bezeichnet werden kann, weil es eben nun einmal wirklich so war.
War? Nun, es ist zwar keineswegs so, dass plötzlich alles anders ist, denn all das soeben Beschriebene gibt es auch heute noch im „Big Apple“ und genau das kennzeichnet ja auch seine Faszination. Eine Faszination, die allerdings nicht unbeschränkt war. Denn häufig wird man auch zu hören bekommen, dass diese Stadt zwar unbedingt besuchenswert und eindrucksvoll sei, man jedoch froh sei, nicht dort zu leben, weil im Gegensatz zu gewohnten europäischen Gefilden dann doch alles etwas zu groß, zu hoch und zu laut wäre, die Wege zu weit, der Grünraum zu wenig, die Mitmenschen zu anonym. Und genau hier bröckelt das Klischee seit einiger Zeit. Anfangs eher unbemerkt, mittlerweile aber nicht mehr zu übersehen. Der Moloch wird menschlich! Alles deutet darauf hin, als man ob man sich an ein neues, etwas verändertes Bild von New York City einstellen darf. Uns Gehenden fällt es – wie so oft – als Erstes auf. Wer durch Manhattan flaniert, muss sich als zu Fuß gehende Person plötzlich nicht mehr auf volle Gehsteige und den Central Park beschränken. Immer öfter begegnet man im Straßenraum ehemaligen Autofahrspuren, die zu verbreiterten Fußwegen oder sogar zu improvisierten Plätzen umfunktioniert wurden. Das Zaubermittel dafür ist hauptsächlich bunte Farbe. Mittels blau, grün oder gelb eingefärbtem Asphalt konnte vielerorts auf einen Schlag Platz für Menschen statt Autos geschaffen werden, zum Gehen, Flanieren, Schauen oder Sitzen. Ja, sitzen, denn nicht selten wurden zugleich auch Sessel aufgestellt, auf denen man Pause machen oder das Stadtgeschehen beobachten kann. Manchmal gibt’s auch kleine Stände, bei denen man sich Kaffee oder kleine Snacks holen kann, jedoch nur wer will, denn grundsätzlich herrscht dort keinerlei Konsumzwang. Es konnte hier also mit wenig Aufwand schnell und wirkungsvoll mehr nutzbarer öffentlicher Raum geschaffen werden. Teilweise kann man sogar neidisch werden, denn obwohl Europa für seine fußgängerfreundlichen Altstadtstrukturen weltweit bekannt ist, gelingen derlei Fortschritte heutzutage hier oft nur sehr langsam, etwa wenn jahrelang um verkehrsberuhigte Straßen, Fußgängerzonen oder Alleebäume gestritten wird – in NYC hingegen ging das überraschend schnell. Überraschend, weil die Stadt wie eingangs beschrieben nicht für solche Freiräume bekannt war und weil das Auto dort noch mehr als anderswo als Statussymbol behandelt wurde. Doch da der Nutzen und die Wirkung von qualitativ hochwertigem öffentlichem Raum erkannt wurden, sei es die Steigerung der Lebensqualität, die bessere Luft oder die höhere Verkehrssicherheit, wartete man nicht lange, sondern nahm seitens der Stadtverwaltung den Pinsel in die Hand und malte Fahrspuren zu Plätzen um, vergrößerte die Wartebereich an Fußgängerampeln mittels bunter Farbflecken, stellte ein paar große Blumentöpfe zur Abtrennung auf und zeigte dadurch schlichtweg, wie sympathisch solche Maßnahmen sein können. Wie schön es ist, wenn man sich am Times Square nicht mehr durch stauende oder rasende Autokolonnen kämpfen muss, sondern sich in der neu geschaffenen Fußgängerzone auf einen der vielen knallroten Sessel hinsetzen kann. Und wie sich das Sozialgefüge verändert, wenn man Bekannte auf der Straße trifft oder neue Bekanntschaften knüpft anstatt einander anonym im Stau anzuhupen. Ob sich der ohnehin geringe Aufwand ausgezahlt hat, braucht man nicht lange fragen. Ein Blick auf die vollen Plätze und die dort vorherrschende Lebensfreude reicht aus. Autor: Loris Knoll |
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