Die WildUrbs haben sich aufgemacht, um ein Gespräch mit der großartigen Christine Nöstlinger zu führen, und sich damit einen Kindheitstraum zu erfüllen.
Die schockierende Nachricht gleich zu Beginn: Frau Nöstlinger ist keine Spaziergängerin! Jedoch kann sie dem WildUrb Gedanken einiges abgewinnen. »Der/die WienerIn ist ja nicht einmal Bezirksmensch, sondern ein Grätzelmensch«, meint sie, und erzählt, wie sie mit 17 Jahren erstmals auf der Triesterstraße stand und nicht wusste, wo es stadtein- oder -auswärts ging. Dass Kinder heutzutage lieber mit der Playstation und dem Gameboy spielen, liegt nach ihrer Meinung nach eher an den fehlenden Impulsen der Erwachsenen, als an der Unlust der Kids, die Angebote zu nützen. Sie erzählt aus ihrer Kindheit, als sie mit den anderen Kindern ihre Freizeit hauptsächlich spielend auf der Gasse verbracht hat. Damals war das ganz normal. Man hat sich draußen mit den anderen Kindern getroffen und sich gemeinsam Spiele und auch Streiche überlegt. Dass Mütter ihre Kinder nach draußen auf die Straße zum Spielen schicken, ist aufgrund des Autoverkehrs heute ja gar nicht mehr möglich. Christine Nöstlinger erzählt auch von der Entstehung ihrer Bücher. Sie hat, bevor sie zu schreiben beginnt, wohl eine Vorstellung von der Geschichte und wie sie in etwa ablaufen soll. Zu den Autorinnen, die ein Buch schon vor dem Schreibprozess kapitelweise durchplanen, gehört sie nicht. Ihre Figuren entwickeln sich während des Schreibens und bekommen ein Eigenleben, das anfänglich oft gar nicht von der Autorin für sie vorgesehen war. Geschichten nehmen Wendungen, die sich aus einem Satz, oder einem verbalen Spaß ergeben. Und plötzlich wird alles ganz anders, als ursprünglich geplant. Ein »Lieblingsbuch« von sich hat sie nicht, wie sie auf unsere Frage meint. Das Wort »Lieblingsirgendwas« mag sie sowieso nicht, weil sie darauf meist keine Antwort weiß. Zum Thema »Patchwork Familien«, die in ihren Büchern ja immer wieder vorkommen, hat sie einiges zu sagen. Dass es für Kinder oft nicht leicht sei, mit dem neuen Stiefvater oder der neuen Stiefmutter, die sie vielleicht nicht sonderlich mögen, umzugehen. Aber Probleme gibt es ja in allen Familien. Sie kennt viele Patchwork Familien – bei manchen funktioniert es besser, bei manchen schlechter. Kinder haben immer eine Art Traumvorstellung von einer schönen und heilen Familie. Aber diesen Wunsch haben Kinder von sogenannten »normalen« Familien auch. Sie wollen genau so nicht, dass gestritten wird. Frau Nöstlinger hat auch die Erfahrung gemacht, dass Kinder häufig gerade mit Ersatzeltern leichteres Spiel haben, als mit Mutter oder Vater. Diese sind häufig notgedrungen toleranter, um nicht als die oder der »Böse« dazustehen. Das Wort »Erziehung« erinnert Christine Nöstlinger immer an Spalierobst, wo die Apfel- oder Birnenbäume festgebunden werden, so dass sie gerade wachsen. Sie hat ihre Kinder nicht »erzogen«. »Man muss ihnen manchmal etwas verbieten, weil es schlecht für sie ist, oder zu etwas zwingen, zum Beispiel in die Schule zu gehen«, meint die Kinderbuchautorin. Ansonsten hält sie viel mehr von dem Wort »Begleitung«. Sie zitiert in diesem Zusammenhang Karl Valentin, der einmal gesagt hat: »Erziehung ist schon etwas Gutes, aber mei, wos soi ma tuan, die Kinder machen einem eh alles nach«. Vor etwa 35 Jahren schrieb Nöstlinger ein Buch mit dem Titel »Stundenplan«. Die Geschichte beruht auf Erlebnisse ihrer Tochter damals im Gymnasium. Offenbar habe sich in unserem Schulsystem nicht viel geändert, meint Nöstlinger, weil Kinder ihr heute erzählen, sie würden in der Geschichte ihre Lehrer wiedererkennen. »Aber es ist ja auch kein einfacher Beruf, LehrerIn zu sein. Das schönste, was ein Lehrer haben kann, ist Charisma.« Und, »es müsste so viele Lehrer geben, so viele Menschen mit Charisma gibt es gar nicht«, ist sich die Autorin sicher. Christine Nöstlinger ist eine coole Frau, die trotz ihres hohen Alters das »wilde und wütende Arbeiterkind« geblieben ist, als das sie sich selbst einmal bezeichnet hat. Jine Knapp und Doris Rittberger bedanken sich herzlichst für das Gespräch. Autor: Fred Stampach |
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