Roland Girtler ist Soziologe und Kulturanthropologe. Ein Phänomen dieser Mann. Ein Unikat, ein Original. Einer, der viel weiß. Vielleicht weil er soviel geht und weil er dabei immer mit offenen Augen und Ohren durch die Gegenden läuft und viel mitbekommt von den Menschen und davon, was sich dort und da tut. Ein leidenschaftlicher und fanatischer Fußgänger sei er, sagt er mir. Weil er beim zu Fuß gehen Land und Leute kennenlernen kann. Girtler will mich dort treffen, wo er wohnt. Hier ist sein WildPlace: Am Spittelberg im 7. Bezirk. Er findet die Gegend hier deswegen interessant, weil sich zum Teil so viele alte Häuser erhalten haben. Das Haus in dem Prof. Girtler wohnt, befindet sich in der Kirchberggasse und ist aus dem Jahre 1824.
Der Spittelberg zwischen Museumstraße, Breite Gasse, Siebensterngasse, Stiftsgasse, Burggasse, Gardegasse, Faßziehergasse und Neustiftgasse gelegen, war einst sozusagen das St. Pauli von Wien – ein "Grätzl" voller Spelunken, Spielhallen und Stätten des Gunstgewerbes. Früher war das hier eine arme aber bunte Gegend. Im 15. Jahrhundert blickten beispielsweise noch Rinder, Schafe und Ziegen von den Bergweiden runter ins nahe Wien, zwischendurch wechselten Safrangärten, Wein- und Krautgärten, Äcker, Wiesen und Felder ihre Besitzer und nach der Türkenbelagerung blieb wenig an unzerstörter Bausubstanz zurück, nach deren Abzug begann der zügige Wiederaufbau. ...Huren, Gaukler, Straßenkünstler, Journaillenschreiber, Artisten, Schriftsteller ... Menschen, die Legenden spinnen gab es hier, heißt es. Neben den Bordellen wurde von Wandertruppen Theater gespielt, in Holzverschlägen – bis heute im Theater am Spittelberg – auf freien Plätzen oder in den Gasthäusern; ermöglicht durch die Gewährung der Schauspielfreiheit 1776 durch Joseph II. Bänkelsänger, Harfenisten und Sängerinnen sangen ihre deftigen Spittelberger Lieder. Auch diese kann man sich heute noch im „Theater am Spittelberg“ vortragen lassen. Projektionsfläche, Faszination, ein bisschen Aufständigkeit, ein Hauch von Anarchie – eine wilde Gegend also. Es gibt hier nicht nur diese kleinen Gassen zum herumflanieren, sondern auch – und das erwähnt Roland Girtler nicht nur einmal – die Burggasse, die ja so wie wir sie alle kennen, immer im Stau steht. Leider. Immer sitzt nur einer im Auto drin, sagt Girtler. Fragen würd er gern, ob die Leut kein schlechtes Gewissen hätten, wenn sie allein im Auto sitzen. Könnten ja auch zu Fuß gehen. Tät nix schaden, meinen auch wir. Und dann treffen wir auf die Menschen am Spittelberg. Zum Beispiel den Uhrmachermeister Michael Ramsauer, der in seinem Laden das Ziffernblatt der ehemaligen Kirchturmuhr stehen hat, Veronika von der Astrobox und die Frau im kleinen Greißler-Laden, wo man nicht nur hingeht, um Semmerln oder Paradeiser zu kaufen, sondern auch um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Es wäre so schade, würde hier stattdessen ein Supermarkt entstehen, meint Girtler. TIPPS Theater am Spittelberg: www.theateramspittelberg.at Alle Lokale auf einen Blick: www.spittelberg.at/index.php?de_gastronomie Mehr über Roland Girtler: http://de.wikipedia.org/wiki/Roland_Girtler |
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