Heute verrate ich euch einen meiner Lieblingswege. Und weil wir nicht nur wild, sondern auch URBs sind, führt er zuerst in das „Imperiale Wien“ und dann in den „Dschungel“. Wir fahren mit der Straßenbahnlinie 49 zum Heldenplatz, damit sich meine vierbeinige Begleiterin Feli gleich mal in der Hundezone austoben kann.
Weiter geht’s durch das Schweizertor, in den ältesten Teil der Hofburg und weiter durch die geheime Passage gegenüber der Hofburgkapelle in den Burggarten. Hier steht ein seltenes Exemplar eines weiblichen Gingkobaums. Der Gingkobaum ist einer der ältesten Bäume der Welt, er hat beispielsweise die Eiszeit überlebt und er ist eingeschlechtlich, was bedeutet, dass es Männchen und Weibchen gibt. Weibliche Exemplare werden kaum gepflanzt, weil deren Früchte einen intensiven Geruch ausströmen. Eine Frau vor Ort beginnt zu schimpfen: “So ein Gestank, so eine Frechheit!“ Ich erkläre ihr, was es damit auf sich hat, sie aber zeigt auf zwei Japaner, die voller Entzücken mit Gummihandschuhen bewaffnet die Früchte einsammeln. Ich frage sie, ob sie die Früchte essen werden und bin total irritiert, als sie mir entgegnen: „Nein, die sind zum Spielen!“ Ich wundere mich, denke mir aber nichts weiter dabei und gehe weiter. Im japanischen Garten gibt es übrigens viele Sachen zu entdecken. Ich finde einen Sanddorn-Busch, einen Fächerahorn und seltsame Steine, die eigentlich versteinerte Hölzer sind. Das habe ich einmal in einem schönen, aber leider längst vergriffenen Wien-Führer gelesen. Wir gehen über die Stiegen auf die Balustrade der Albertina. Ich schaue auf den Burggarten und das Palmenhaus hinunter, Sessel und Tische stehen dort, denn vor ein paar Tagen ist das Publikum noch hier im Freien gesessen und hat Kaffee getrunken und Kuchen gegessen, so warm und sonnig war es. Dieser prachtvolle Spätherbst scheint aber endgültig vorbei zu sein, die Sonne zeigt sich zumindest heute nicht. Es lockt mich eine BASELITZ Ausstellung in der Albertina, aber wir sind ja eigentlich noch immer auf der Suche nach den Mandarinenten. Deswegen führt mich mein Weg den Ring entlang, weiter in den Stadtpark. Ein Hufeklappern ist immer wieder zu hören, denn die Fiaker sind auf dem Weg in die Arbeit. Es ist noch nicht zehn. Ich beobachte das Treiben im Stadtpark. Drei Frauen haben auf Bänken Informationsmaterial ausgebreitet. Sie engagieren sich GEGEN die Verbrechen der chinesischen Regierung, Organhandel zum Beispiel. Mit ausgezogenen Schuhen sitzen sie reglos im Gras und meditieren. Hier finde ich aber immer noch keine Mandarinenten, deswegen fahren Feli und ich mit der Straßenbahnlinie 1 in den Prater. Durch den Hundewald geht’s zum Rosenwasser. Ich denke wehmütig daran zurück, als meine Fellnase und ich im Sommer hier geschwommen sind. Feli zum ersten Mal, in meinen Armen. Jetzt kreisen Möwen über der Wasserfläche. Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Winter kommt. Beim Heustadlwasser fällt mir eine malerische Weide auf. Um sie besser fotografieren zu können, steige ich auf einen Baumstamm. Und wer, denkt ihr, schwimmt unter den Zweigen hervor? Die Mandarinenten. Heureka! Welch Freude! Doch das Licht ist heute trüb, die Mandarinenten sind noch nicht an mich gewöhnt und der Hund ist unruhig. Die Entchen schwimmen auf die andere Uferseite, wir gehen die Runde bis zur Brücke und ich versuche es noch einmal. Doch plötzlich sind sie verschwunden. Wahrscheinlich waren sie auch beim letzten Mal irgendwo hier, aber versteckt. Ein Erpel schwimmt Patrouille, er scheint die anderen zu informieren, wenn die Luft wieder rein ist. Wir gehen noch ein Stück, da sehe ich ein Mandarinentenpaar. Nach ein paar bescheidenen Fotos, ist der Akku auch schon wieder leer. Mist! Trotzdem freue ich mich unbändig, dass ich sie wieder gefunden habe. Jetzt weiß ich endlich, wo sie sich verstecken. Am Rückweg geht es durch den Hundewald, weil Feli den so liebt. Hier befindet sich eine riesige, unter Hundefreunden sehr beliebte Hundeauslaufzone. Wir wandern bis zum Konstantinhügel, auf dessen Spitze sich ein kleiner verwunschener Park befindet. Wehmütig blicke ich zurück auf die Stunden, die ich hier im Sommer verbracht habe. Eines meiner Lieblingsplätzchen! Zu guter Letzt besuchen wir noch den alten Graureiher, der jeden Tag irgendwo am Teich auf dem Konstantinhügel sitzt. Hier am Anfang der Prater Hauptallee, entdecke ich wunderschöne Blätter. Ihre Farben leuchten in herbstlichen Farben und als ich näher gehe, sehe ich zwei Gingkobäume, Männchen, Zwillinge. Autor und Bilder: A. Fink Heute sind Feli, meine Hündin und ich, um 5:00 Uhr aufgestanden, um die Krähenschwärme am Wilhelminenberg zu beobachten. Zur Thaliastraße spaziert und mit dem 146B zum Paulinensteig gefahren. Auf die Minute pünktlich um 6:33 Uhr ist der Bus gekommen. Es ist noch dunkel und es regnet. „Herrlich! Ich brauche frische Luft!“ sagt Max Raabe als Rechtsanwalt Doktor Siedler im Weißen Rössl am Wolfgangsee. So geht es mir heute auch.
Freue mich unbändig, dass das hässliche Zelt auf der Terrasse vor dem Schloss Wilhelminenberg nicht mehr da ist. Aus den Lautsprechern auf der Terrasse kommt leiser Jazz: What a difference a day makes…. Langsam wird es hell, die Laternen beleuchten das Schloss noch immer. Diesen Moment des „nicht mehr und noch nicht“ mag ich am frühen Morgen besonders. Wir gehen noch einmal zurück zum Paulinensteig und ich höre überall Krähen schreien. Hinter mir, vor mir, neben mir, aber ich sehe nur eine einzige Saatkrähe über die Stadt fliegen. Schlafen sie noch? Bleiben sie hier? Wie auch immer, mein Hund ist ganz nass und mir ist kalt, jetzt habe ich mir einen Kaffee verdient. Ich setze mich in den Wintergarten des Schlosses, das nun ein Hotel ist und früher eine furchterregende Erziehungsanstalt für Mädchen war, schlimmere Dinge als Kafka sie sich ausdenken hätte können sind hier passiert. Jetzt gibt es hier jeden Tag ein Buffet um 15 Euro, Kaffee inbegriffen. Alle sind sehr freundlich, obwohl wir nass und dreckig sind. Das mag ich an Wien. Nach dem Frühstück gehen wir weiter, an der Lagerwiese vorbei über die Savoyenstraße. Dort gibt es Informationstafeln, auf einer davon steht, dass nur 16% der Stammgäste des Waldes die öffentlichen Verkehrsmittel benützt haben, 50% seien mit dem privaten PKW gekommen. Darüber kann ich mich nur wundern. Hier beim Parkplatz suchen vereinzelte Krähen nach Futter und wir überqueren die Staudstraße, um im Wald (rote Markierung!) bis zur Wickengasse zu gehen. Die goldene Kuppel der Kirche am Steinhof leuchtet im Nebel, ganz Wien liegt mir zu Füßen. Bei der Wickengasse führt ein Forstweg wieder in den Wald hinein, rechts neben den gefällten Baumstämmen führt der Weg auf den Satzberg. Ich sehe eine hübsche Tigerschnecke auf einem nassen Baumstamm und neben ihr eine dieser Motten, die mich immer in der Dämmerung im Wald umfliegen und die ich nicht identifizieren kann. Der Satzberg ist zwar ein Aussichtsberg, aber heute ist Wien kaum zu sehen. Mir gefallen die Regentropfen, die überall an den Zweigen und Beeren hängen und die Umgebung spiegeln. Der Weg ist so steil und rutschig, dass ich ein paar Mal auf den Hintern falle. Autsch! ;) Hier blühen immer noch Bergdisteln und Flockenblumen, im Sommer ist das ein Schmetterlingsparadies. Am Ende des Satzberges führt der Weg über die Steinböckengasse zum Silbersee. Reglos steht ein Graureiher am anderen Ufer im Schilf, aber ich gebe zu, dass ich den erst zu Hause auf den Photos gesehen habe. Im Sommer versteckt er sich nämlich immer hoch oben in den Kiefern. Hier sah ich im Sommer eine Äskulapnatter über den ganzen Teich schwimmen, ein verzauberter Moment und wahrscheinlich der Grund dafür, dass die Wiener/innen hier nicht schwimmen gehen. Weiter geht es über die Rosentalgasse in den Dehnepark zum Teich. Im Frühling waren hier Mandarinenten, die habe ich hier schon lange nicht mehr gesehen, vielleicht verstecken sie sich ja auch? Es gab hier einen berühmten weißen Erpel, Donald genannt, er wurde von den Patienten am Steinhof adoptiert und dann ausgesetzt, aber er ist auch verschwunden. Ich statte noch meinem schönen, geliebten Mirabellenbaum einen Besuch ab. Er hat sogar noch ein paar grüne Blätter, aber sonst wirkt er sehr unnahbar mit seinen schwarz herabhhängenden Zweigen. Hier muss ich immer an meinen Lieblingsfilm MASKERADE denken, denn der Park hat einmal Willi Forst gehört, dem Regisseur des Films. Beim Kinderspielplatz sind noch die Reste eines Bassins und sogar Stufen zu sehen, das muss Forsts Schwimmbad gewesen sein. In der Ruine sollen schwarze Messen abgehalten werden, Messen, in denen Tiere geopfert werden. Die Leute hier behaupten das immer wieder und ich hoffe trotzdem sehr, dass das nur ein böses Gerücht ist. Wir gehen die Dehnegasse hinunter, meine Hündin ist jetzt ganz ruhig und friedlich, weil sie den Spaziergang so genossen hat. Autor und Bilder: A. Fink Neulich (also vor gut einem Monat) haben wir uns an einem Sonntag mal wieder zu einem Urbwalk aufgemacht. Und zwar haben wir uns für "Reges Leben" aus dem Buch WIEN GEHT entschieden.
Es ist ja so: Auch wenn ich schon gut 15 Jahre in Wien lebe, gibt es hier noch immer jede Menge unentdeckter Ecken für mich. Was grössenteils daran liegt, dass ich meistens mit Öffis oder auch im Auto unterwegs bin. Man sieht die Stadt dann zwar, aber man lernt sie nicht kennen. Eine Stadt, ein Viertel, eine Umgebung richtig kennenlernen, geht eigentlich nur zu Fuss. Weil man dann genügend Zeit hat, seine Umgebung in Ruhe anzusehen, die lokale Stimmung spüren und die Umgebung auch riechen zu können. Riecht ja doch überall anders, gell? Eben alle Details wahrnehmen. Das funktioniert besonders gut, wenn man einfach nur um des Weges willen durch die Stadt geht. Und ich bevorzuge Spaziergänge durch die Stadt, weil ich das urbane Umfeld geniesse. Es darf gern mal in die Natur gehen, solange die U-Bahn nicht zu weit weg ist. Absolutes Highlight dieses Walks ist der Augarten, in dem meine Begleitung und ich das ersten Mal waren. Es war wundervolles Herbstwetter, und der überraschend grosse Augarten hat sich wohl von seiner besten herbstlichen Seite gezeigt. Auch den Strassenmusikanten aus dem Artikel im Buch konnten wir begegnen. Immer im Blick sind die Flaktürme dort. In Wien gibts sechs Stück davon, wobei immer zwei zusammengehören, die eine Einheit aus Steuer- und Geschützturm bilden. Mehr zu den Flaktürmen gibts hier: Wiener Flaktürme bei Wikipedia. Sehr beeindruckend war auch die Bandbreite der Augartenbesucher an diesem sonnigen Herbsttag. Zwei Kindermannschaften spielten vor einem der Flaktürme Fussball, mit den Eltern als Publikum. Junge und alte Paare genossen auf den Bänken die Herbstsonne. Und im Waldstück des Augartens waren etliche Spaziergänger auch abseits der Wege unterwegs. Und es war recht gut zu erkennen, dass viele von ihnen oft hier herkommen, in den Augarten. Der Walk war wieder fantastisch, der Augarten und auch das Karmeliterviertel bieten eine Menge zu Sehen und zu Fotografieren. Eigentlich genug für zwei Spaziergänge; wenn man nicht gerade ein fortgeschrittener Urb ist und sich im Augarten schon ausgetobt hat, kommt das Karmeliterviertel etwas zu kurz. Man kann aber auch am Vormittag starten und ist dann mit viel Umschauen bis in den späten Nachmittag hinein unterwegs. Wir haben uns abschließend am Karmelitermarkt im Cafe Einfahrt niedergelassen und dort lecker Sturm, eine Lammwurstplatte und Salat gefuttert. Ebenfalls zu empfehlen und ganz in der Nähe des Karmeliterplatzes ist übrigens das Kultcafe Cafe Tachles. Reinschauen lohnt sich! Autor: Franz Farklas Wir GEHen gerne, zu manchen Zeiten auch viel.
Jährlich steht eine Wanderwoche in den Bergen auf unserem Urlaubsprogramm. Diese Ertüchtigungswoche ist zum festen Bestandteil unseres Lebensplanes geworden.Ausgerüstet mit sämtlichen Wanderkarten der näheren und ferneren Umgebung, vereinen wir uns mit "Müllers Lust". Meistens sind wir der besseren Unterhaltung wegen mit mindestens einem befreundeten Ehepaar unterwegs. Beim GEHen sind die Geschlechterrollen klar verteilt. Den Männern obliegt die diffizile Kunst des Kartenlesens, während wir Frauen wie Lemminge hinterdrein laufen. Am Abend zuvor wird unter heftigen Debatten die Route ausgewählt, die wegen Höhenängstlichkeit meines Partners - manche sprechen bösartig von Manie - nicht ganz so einfach festzulegen ist. Erstaunte Betroffenheit macht sich dann allemal am nächsten Morgen breit, wenn er mitten auf einer schwach ansteigenden blühenden Almwiese auf seinem Absatz kehrtmacht und wegen zu gefährlicher Wegpassagen kommentarlos wieder den Heimweg anGEHt. Vorsicht heißt seine Devise, bedeuten doch die vom Rindvieh hinterlassenen tiefen Abdrücke im weichen Almenboden schon eine nicht zu unterschätzende, heimtückische Absturz- oder Einbruchsgefahr. Um aber einen Almenboden zu erreichen, was offensichtlich schon außergewöhnlichen Mutes bedarf, erfordert es erst einmal die lückenlose Orientierung und Wegekenntnis mit Hilfe der mitgebrachten Wanderkarten. In den herrlichen Südtiroler Dolomiten etwa versuchten wir mit einem lieben, uns eng befreundeten Paar als Wandergenossen, unsere Route direkt ab unserem Feriendomizil anzulegen. Nach etwa einer Stunde Rundlauf durch den zweihundert Einwohner zählenden Ort kamen wir just an der Stelle unserer gewählten Ferienherberge wieder an, was im Grunde ein Glücksfall war, da wir unsere mittlerweile verschwitzten Klamotten wechseln konnten. Ein neuerlicher GEH-Lauf in die umliegende Bergwelt brachte uns nach noch einer Stunde Fußmarsch mitten auf die immerhin schon fünfhundert Meter außerhalb der Ortseinfahrt befindliche Mülldeponie. Von der mit fünf Stunden bemessenen Wanderstrecke, hatten wir schon zwei Stunden durch "Power-Walking" in der Zweihundert-Seelen-Gemeinde zugebracht, ohne auch nur im Entferntesten unserem Ziel näher gekommen zu sein. Den beiden kartenlesenden Männern stand der Schweiß der Anstrengung nicht nur auf der Stirn. Noch hatten sie jedoch das Navigationszepter fest in ihren Händen. Die Frühstückspause wurde rigoros gestrichen, dazu reichte unsere verfügbare Zeit nicht mehr aus. Die Karten wurden einmal gen Süden, dann wieder gen Osten, Westen oder Norden gehalten, allein, der angepeilte Weg blieb unauffindbar. Zaghafte Äußerungen von uns Frauen wurden mit einer Handbewegung, die nicht nur vollkommene Bedeutungslosigkeit signalisierte, abgetan. Auf diese grausame Art zum Schweigen gebracht, blickten wir zwei uns zustimmend und stumm an, machten einige Meter kehrt und entschwanden kurzerhand auf den von uns beiden schon längst vorher ins Auge gefassten, ausgesprochen gut markierten Wanderweg. Wir blickten uns nicht mehr um, unterhielten uns fröhlich und angeregt, verzehrten einen frischen, roten Apfel und stapften wohlgemut voran. Nach etwa einer Stunde Fußmarsch hörten wir in einiger Entfernung hinter uns keuchende Rufe unserer Ehegesponse. Schweiß troff ihnen in Strömen vom Kopf. Das Gesicht rot wie der vor kurzem von uns vertilgte Apfel, preschten beide heran und schrien wut- und angsterfüllt: "Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen worden, ihr könnt doch nicht einfach vor uns losGEHen, mit eurer pathologischen Orientierungslosigkeit, was wäre denn, wenn ihr euch verirrtet. Dann hätten nämlich wir die Scherereien!" Sprachen's, übernahmen abermals die Führung, und wir beide folgten den Spurensuchern wie die Lemminge. Noch einige Male durften wir Frauen schweigsam und orientierungslos die exakt markierte Richtung, die uns unserem Ziel näher brachte auffinden, und etwa fünf Schritte als Lotsen beschreiten, ehe uns bis zur nächsten Weggabelung die Führung kurzerhand wieder entzogen wurde und uns der Gang hinter unseren Männern beschieden blieb. Es wurde trotzdem eine wunderschöne Wanderung, die (M)man(n) abends wohlbehalten, bei gutem Essen und einigen Gläsern Rotwein noch einmal mit folgenden Worten an uns gerichtet kommentierte: "Stellt euch einmal vor, ihr hättet uns beide mit unseren hervorragenden Wanderkarten nicht gehabt, wo wäret ihr wohl gelandet?" Dankbar, verständnisvoll und stumm blickten wir unsere Männer an, die uns armen, weiblichen Hascherln doch immer wieder den rechten Weg weisen. Autor: Gerda Hillebrand, www.gerdahillebrand.at https://facebook.com/gerda.hillebrand.5 Als Kind habe ich Spazierengehen gehasst. Jeden Sonntagnachmittag mit der ganzen Familie, diese langweiligen, immer gleichen Wege ohne Hund. Keiner durfte zu Hause bleiben, alle mussten mitgehen. Es war eine Errungenschaft, als ich mit 13 alleine in der Wohnung lesen durfte. Meine Mutter hat mein grantiges Gesicht nicht mehr ertragen. Sie wollte auch nie einen Hund. Oder Schulausflüge mit der ganzen Klasse, ein Albtraum! Ich bin meistens verloren gegangen. Hab mir schon Wochen vorher Ausreden überlegt, dass ich nicht mitgehen musste.
Deshalb gehe ich heute am liebsten alleine, nur mit meinem Hund, das ist eine so angenehme Gesellschaft. Süchtig nach Gehen bin ich geworden, als ich auf Hunde aufgepasst habe, aber die Hunde sind alt geworden und konnten nicht mehr mit mir mithalten. Jetzt habe ich einen eigenen Hund, eine Hündin, eine Quirlige, Temperamentvolle, die mich heraus fordert. Wir gehen fast jeden Tag sehr weit, es kann uns nicht weit genug gehen, aber am Abend wollen wir wieder zu Hause sein, Ophelia in ihrem und ich in meinem Bett. Am liebsten gehen wir durch den Wald, wo keine Autos fahren, wo es steil ist, wo es still ist, wo es viele neue Wege zu entdecken gibt, am besten jeden Tag einen Neuen. Glücklich macht es mich, wenn ich wieder neue Verbindungen zwischen den Wegen entdecke oder wenn mir jemand, der in der Gegend aufgewachsen ist, einen Weg zeigt, den ich bis jetzt immer übersehen habe. So wie gestern zwischen Mostalm und Sofienalpe, einen Trampelpfad, den sonst nur die Reiter benützen oder im Naturpark Purkersdorf, als ich dem Hund nachgegangen und nicht auf dem Naturlehrpfad geblieben bin, da tat sich eine Welt auf: ein steiler Weg mit einer herrlichen Aussicht über das ganze Tal, mit einem Hochwald wie damals über Innsbruck der herrliche Zirbenweg. Das Licht hat die Blätter beleuchtet, die sich zu verfärben begannen. Wir waren ganz alleine, bis uns ein Jogger erschreckt und sich dafür entschuldigt hat. Da gab es auch eine Quelle, das Frauenbrünndl. Das Wasser ist überhaupt das Beste und Wichtigste auf einem Weg, ich trinke aus fast allen Bächen und Quellen, ich umarme die Bäume, wenn mir danach ist. Und am liebsten höre ich statt Autolärm, der sich erst ab einer gewissen Höhe verflüchtigt, vor dem ich flüchte, ein Bacherl rauschen. So muss es im Paradiese sein und ich kann mir eigentlich nichts Schöneres vorstellen. Ich trage diese Wege in mir und rufe sie ab, vor dem Einschlafen, wenn ich traurig bin, wenn ich etwas hinter mich bringen muss, das ich nicht leiden kann. Da ich nie ohne Kamera aus dem Haus gehe, ergeben sich immer wieder Glücksmomente: wenn Libellen noch im Oktober im Gras kopulieren, wenn eine Blindschleiche auf dem Weg liegt, wenn ein Schmetterling auf einem Blatt sitzt, bei einem bestimmten Lichteinfall oder bei Nebel im Wald. Heute wollen meine Eltern nicht mehr spazieren gehen, ich muss immer lachen, wenn ich sie frage und sie hundert Ausreden finden, um zu Hause bleiben zu können. So schließt sich der Kreis. |
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